Essen. Künftig sollen auf dem Siegerpodium eine Frau und ein Mann stehen. Die Entscheidung schadet mehr, als das sie nutzt. Ein Kommentar.
Das Bild ging um die Welt. Bei der Flandern-Rundfahrt grapschte der slowakische Radprofi Peter Sagan einer Hostess auf dem Siegerpodium an den Hintern. Die Kameras fingen die Szene ein, Sagan musste sich für den "Scherz", wie er es nannte, entschuldigen: "Es war nicht meine Absicht, mich respektlos gegenüber Frauen zu verhalten." Und tat es doch.
Das war im Jahr 2013. Sagan ist mittlerweile ein Weltstar. Eine ähnliche Verfehlung leistete sich der Sprinter nicht mehr, auch wenn sich ihm jede Menge Gelegenheiten auf den Podien dieser Welt boten: Denn ungeachtet dieses Vorfalls blieben die Damen als Schmückwerk für die Sieger präsentiert.
Sieben Jahre mussten vergehen, bis sich das Aushängeschild des Radsports, die Tour de France, zu einer Änderung durchringen konnte. Am Mittwoch verkündete Tour-Chef Chris Podhumme, künftig würde eine der beiden Hostessen durch einen Mann ersetzt.
Frauen werden zu dekorativen Zwecken missbraucht
Die Entscheidung schadet mehr, als das sie nutzt. Offenbar will man auf den Entertainment-Faktor bei der Tour nicht völlig verzichten. Vermeintlich gehen die Offiziellen sogar einen Schritt auf ihrer Kritiker zu: Wir schaffen Gleichbehandlung für Mann und Frau. Gegafft werden kann aber immer noch. Nun wird eben noch ein Mann zur Schau gestellt.
In einer Petition zur Abschaffung von Hostessen, die 2019 38.000 Unterzeichner fand, hieß es, Frauen seien keine Objekte und dürften nicht der Dekoration dienen. Dass sie es nun weiterhin tun, ist peinlich.
Der Sport wandelt jede Woche auf dem schmalen Grat zwischen Unterhaltung und Wettbwerb. Der Sport ist eine Industrie, die Milliarden umsetzt und Menschen auf der ganzen Welt finanziell vonnutzen und vonnöten ist. Optisch ansprechende Frauen haben sich traurigerweise bewährt, um die Einschaltquote zu verbessern.
"Grid Girls" bei der DTM und im Motorradsport
Gleichzeitig versucht der Sport seiner Rolle als Wertevermittler gerecht zu werden. Er will gegen Rassismus und Ungleichbehandlung kämpfen. Frauen, die auf ihr Äußeres reduziert werden, standen lange nicht auf der Agenda. Erst im Zuge der Metoo-Debatte begann sich auch der Sport zu hinterfragen. Die Formel 1 beschloss, auf sogenannte "Grid Girls" an der Startlinie zu verzichten. Auch die Darts-WM findet seitdem ohne "Walk-on-Girls" statt. In der deutschen Rennserie DTM, beim Moto-GP und beim Boxen laufen Frauen immer noch leicht bekleidet vor den Männern umher.
Sexismus sollte der Vergangenheit angehören. Dass darauf hingewiesen werden muss, ist auch: peinlich.