Braunschweig/Monaco. Gina Lückenkemper rechtfertigt sich für ihren DM-Verzicht. In Monaco will die Sprinterin am Freitag wieder auf der Laufbahn von sich reden machen.
Jeder Wettkampf, der in diesem von der Corona-Pandemie geprägten Sommer 2020 ausgetragen werden kann, ist besonders. So zum Beispiel das Rennen der besten nationalen Sprinterinnen am vergangenen Wochenende bei der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaft in Braunschweig – und genauso speziell wird sicher auch der Vergleich der internationalen Spitzenklasse beim Diamond-League-Meeting am Freitag in Monaco. Eine, die im Fürstentum wieder zum Gesprächsthema werden möchte, ist Gina Lückenkemper.
Wobei: Gesprächsthema war die 23-Jährige auch in den letzten Tagen. Besonders nach dem Braunschweiger Frauenfinale über 100 Meter fiel der Name Gina Lückenkemper immer wieder. Der aus Soest stammenden Sprinterin, die für den SCC Berlin startet, stießen einige Andeutungen sauer auf. „An alle Spekulanten, die nach wie vor meinen, ich wäre nur des Geldes wegen nach Finnland geflogen: Mein Konto hat das irgendwie noch nicht mitbekommen“, schrieb Lückenkemper in den sozialen Netzwerken. „Nicht mal die Reisekosten sind gedeckt gewesen mit dem Start. Ich war einfach froh, endlich wieder irgendwo an den Start gehen zu können.“
Finnland statt Braunschweig
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Zehn Monate nach ihrem bis dahin letzten Wettkampf war Lückenkemper am vergangenen Mittwoch beim internationalen Meeting im finnischen Espoo, nur wenige Tage vor den nationalen Titelkämpfen, in ihre Saison gestartet. Ihre DM-Teilnahme hatte sie zuvor abgesagt. Auch, weil sie wegen einer leichten Muskelverletzung wertvolle Trainingszeit verloren hatte und nicht wieder mit einer Meisterschaft einsteigen wollte. Wer übrigens einen Quervergleich anstellen möchte: Mit ihrer Zeit in Finnland (11,37 Sekunden) wäre Lückenkemper beim Meisterlauf von Lisa Marie Kwayie (11,30) vor der jahresschnellsten Deutschen Rebekka Haase (11,34) Dritte geworden.
Lückenkempers Reputation beschädigt der DM-Verzicht natürlich nicht. Die Sprinterin stieg nach der Weltmeisterschaft 2017 zum Gesicht der deutschen Leichtathletik auf. Zum ersten Mal seit Kathrin Krabbe 1991 war mit Lückenkemper bei der WM in London eine Deutsche wieder unter der Elf-Sekunden-Marke geblieben. Bis heute sind die im Vorlauf gelaufenen 10,95 Sekunden ihre Bestzeit.
Eine Gallionsfigur seit 2018
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Unheimlich schnell, gut zu vermarkten – auch die Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV) sahen es mit Freude, dass aus Lückenkemper, deren Lebensmittelpunkt mittlerweile Bamberg ist, spätestens mit der Silbermedaille bei der Heim-EM 2018 in Berlin die Gallionsfigur einer neuer Generation wurde. Eine Gallionsfigur allerdings, die sich meinungsstark nicht blind vor jeden Karren spannen lässt. Die bei allem Engagement für ihre Sportart – und das liegt in der Natur einer Sprinterin – im Kern eine Ich-AG darstellt.
Seit Ende des vergangenen Jahres trainiert Lückenkemper, deren Leistungen 2019 auf hohem Niveau stagnierten, unter Lance Brauman in den USA. Neue Impulse, bessere Trainingsbedingungen – das war die Begründung für den Wechsel. Jedoch zerstörte die Corona-Pandemie alle Planungen, so dass die 23-Jährige seit Februar alleine in Deutschland trainieren musste. Zwar bietet die moderne Kommunikation viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit dem Coach und zur Kontrolle durch ihn, aber während der Einheiten war und ist Lückenkemper alleine.
Kritik von Frank Busemann
Zehnkampf-Legende Frank Busemann, inzwischen TV-Experte bei der ARD, hätte Lückenkemper nur zu gerne in Braunschweig gesehen. „Gina ist eine starke Marke“, sagte der 45 Jahre alte Recklinghäuser, „sie hätte der Veranstaltung gut getan.“ Allerdings konnte er aus der Sicht der Sportlerin auch verstehen, „dass sie zu einem Meeting geht, wo es vielleicht Geld gibt, weil es so viele Startmöglichkeiten in diesem Jahr nicht gibt“. Eine davon bietet sich Gina Lückenkemper am Freitag. Vorteil des Diamond-League-Meetings: Es kollidiert nicht mit einem anderen Wettbewerb.