Essen. Verunsicherung und Einschränkungen durch Corona sind groß. NRW-Athleten versuchen, das Beste daraus zu machen – und haben klare Forderungen.

Der Sport steht still – auch in Nordrhein-Westfalen. Weil es noch immer keine Sonderregelung vom Land für Kadersportler gibt, dürfen sie weder die Olympiastützpunkte noch andere Hallen oder Stadien nutzen. Die Athleten sind wegen der Corona-Krise zum Homeoffice verdammt. Dazu die Ungewissheit: Kann Olympia im Juli in Tokio stattfinden? Die aktuelle Situation beschreibt Volker Lauer, Leiter des Olympiastützpunkts Rhein Ruhr, als „schwer zu ertragende Hängepartie“. Was also tun? „Die Athleten sind weiter sehr ehrgeizig und versuchen, sich möglichst gut fit zu halten“, sagt Daniel Müller vom Olympiastützpunkt Rheinland. Das gestaltet sich von Sportart zu Sportart unterschiedlich. Eine Auswahl.

Rudern

Als vor knapp einer Woche die ersten Einschränkungen in Deutschland in Kraft traten, wurde der Deutschlandachter sofort aus seinem Trainingslager in Portugal zurückgeholt. Seitdem rudern die in Dortmund lebenden Weltmeister Malte Jakschik (26) und Johannes Weißenfeld (25) am Ergometer auf dem Balkon – neben Getränkekisten und Blumenkübeln. Die Ergebnisse teilen sie dann in einer Chat-Gruppe mit den anderen. „Sie versuchen sich so trotz der Distanz gegenseitig zu pushen“, sagt Carsten Oberhagemann, Geschäftsführer des Deutschlandachters.

Torben Johannesen (25) und Hannes Ocik (28), die in Hamburg leben, genießen etwas bessere Bedingungen. Anders als in NRW dürfen sie mit Sondergenehmigung am Stützpunkt trainieren – unter Auflagen. Hanteln zu desinfizieren ist eine davon. Ins Boot dürfen aber auch die beiden nicht. Verständlich, ein Mindestabstand ist kaum einzuhalten. „Wahnsinn, wie sie die Moral oben halten. Aber das ist zeitlich limitiert auf ein paar Wochen“, sagt Bundestrainer Uwe Bender. Wassergefühl und Rhythmus lernt man nicht auf dem Balkon.

Schwimmen

Natürlich spielt auch hier das Wasser eine wichtige Rolle. Heute beginnt Woche zwei ohne Training im Becken. Für Nicole Endruschat, Cheftrainerin am Bundesstützpunkt in Essen, ist das eine Katas­trophe. „Die Athleten können sich zu Hause fithalten, aber das ist ja nichts Spezifisches, dafür brauchen sie das Training im Wasser.“ Doch ohne Sondergenehmigung gibt es keine Chance. Der Versuch, ihre Athleten an Stützpunkten, an denen noch unter Auflagen trainiert werden darf, unterzubringen, blieb bislang ohne Erfolg.

Auch die Gladbeckerin Jessica Steiger (27) ist betroffen. Eigentlich wollte sie in den kommenden Wochen die Olympia-Norm in Angriff nehmen – nun macht sie Yoga zu Hause. „Ich kann es voll und ganz nachvollziehen, wenn sie die Spiele verschieben“, sagt sie. „Aber für mich persönlich wäre es eher eine Katastrophe: Ich bin gerade so nah dran wie nie. Man weiß nicht, wie es in ein oder zwei Jahren ist.“

Leichtathletik

Seinen Körper hat auch Daniel Jasinski (30) im Blick. Der Olympiadritte von 2016 im Diskuswerfen weiß: Muskelaufbau für Leistungssport ist viel schwieriger als der Abbau. Hält er sein Kraftsportlevel nicht, verliert er seine Basis. „Ein, zwei Wochen sind kein Problem, aber wenn es länger dauert, wird es schwierig“, sagt er und fordert: „Das ist mein Beruf, den ich derzeit nicht ausüben kann. Es wird Zeit, dass die Politik reagiert, dass das Land zumindest den Kaderathleten erlaubt, allein auf die Anlagen zu gehen, wenn das IOC an der Planung der Olympischen Spiele festhält.“

Die Wattenscheider Hürdensprinterin mit ihrem Mini-Parcours im Flur ihrer Wohnung.
Die Wattenscheider Hürdensprinterin mit ihrem Mini-Parcours im Flur ihrer Wohnung. © instagram @pamela_dutkiewicz | instagram @pamela_dutkiewicz

Anders als Pamela Dutkiewicz (28), seine Vereinskollegin vom TV Wattenscheid, kann er nicht Teile seines Programms ins Homeoffice verlegen. Während die Hürdensprinterin kreativ wurde und sich im heimischen Flur einen Mini-Parcours aufbaute, kann Jasinski nicht seinen Diskus vom Balkon werfen oder eine 150-Kilo-Hantel in seiner Wohnung fallen lassen. „Da würden sich die Nachbarn freuen“, sagt er. Noch kann er lachen. Auch wenn es zunehmend schwerer fällt.

Tischtennis

Auch am Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf herrscht Stille. „Wir haben komplett runtergefahren“, sagt Andreas Preuß, Manager des dort ansässigen deutschen Rekordmeisters Borussia Düsseldorf. Seine Profis, darunter auch Top-Star Timo Boll, sind nach Hause gereist.

Bundestrainer Jörg Roßkopf hält Kontakt mit seinen Spielern. „Am besten getroffen hat es die, die noch eine Platte im Keller haben“, sagt er. Doch mit Vorbereitung auf Olympia habe das nichts zu tun. Überhaupt fragt er sich: „Was sollen das für Spiele werden? Sie werden überhaupt keine Qualität haben.“ Mit Fairness habe das nichts zu tun, „wenn halb Europa nicht trainieren kann, in Japan aber weitergemacht wird wie bisher“. Doch er wolle „nicht jammern“, es gäbe gerade wichtigere Probleme. Da müsse jeder solidarisch sein. Und Olympia „hat da nichts mehr zu suchen. Das lässt sich verschieben, da wird es für alles Notlösungen geben“.