Hamburg. Die Rugby-WM wird nur von Olympia und der Fußball-Endrunde übertrumpft. Heute beginnt das Spektakel in Japan. Die Analyse von Carsten Segert.
Nach der Fußball-WM und den Olympischen Spielen ist die Rugby-WM, die von diesem Freitag an bis zum 2. November in Japan und damit erstmals in Asien stattfindet, mit erwarteten 1,8 Millionen Besuchern und bis zu drei Milliarden TV-Zuschauern das weltweit größte Sportevent. In Deutschland schlummert Rugby weitgehend in der Nische, obwohl die deutschen Männer in der olympischen Siebener-Variante (sieben Spieler pro Team) immerhin Europameister sind. In der klassischen 15er-Variante, die bei der WM gespielt wird, war Deutschland indes noch nie qualifiziert.
Der TV-Sender ProSieben Maxx will das ändern. 31 Spiele, beginnend mit der Eröffnungspartie heute zwischen Japan und Russland (11.20 Uhr), werden live gezeigt. Ob das dem Sport einen Schub geben kann und auf was sonst zu achten ist, erklärt Carsten Segert. Der 52-Jährige legte als Nationalspieler 1993 den ersten Versuch für Deutschland in einem WM-Qualifikationsspiel, legte also den Ball im gegnerischen Malfeld ab, was fünf Punkte bringt. Heute ist er Trainer der Bundesligamänner des Hamburger RC und hat als Coach des namibischen Erstligisten Windhoek Wanderers internationale Erfahrung gesammelt.
Der Stellenwert der WM: „Siebener-Rugby ist zwar olympisch, aber letztlich nur ein Instrument, um Aufmerksamkeit für das Hauptereignis zu generieren. Die WM findet nur alle vier Jahre statt und ist die größte Werbeplattform für unseren Sport. Weltweit sind nur die Fußball-WM und Olympia größer, der wirtschaftliche Effekt wird auf vier Milliarden Dollar taxiert.“
Die Bedeutung von Rugby in Japan: „Rugby ist in Japan schon längere Zeit ein wichtiger Studentensport. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es eine Profiliga, die auch eine Reihe an starken Ausländern ins Land gebracht hat, von denen einige mittlerweile für Japans Nationalteam spielberechtigt sind. Judo, Sumo und Baseball sind noch populärer, aber mit Fußball steht Rugby vom Bekanntheitsgrad her auf einer Stufe. Die Begeisterung für die WM ist riesig, die Gruppenspiele Japans waren sofort ausverkauft, Stadien mit bis zu 72.000 Plätzen werden voll sein.“
Das Problem von Rugby in Deutschland: „Die Wahrnehmung hat sich in den vergangenen Jahren zwar erhöht, aber Rugby hat das Problem, das fast alle Sportarten in Deutschland haben: Abseits des Fußballs ist wenig Platz. Die Klubs machen gute Arbeit, der Verband kriegt es aber leider nicht hin, das Ganze vernünftig aufzubauen. Eine erfolgreiche Qualifikation für eine WM wäre hilfreich, davon sind wir aber weit entfernt. 1994 waren wir in der letzten Quali-Runde, im vergangenen Jahr waren wir in der Trostrunde der letzten vier. Meine Hoffnung ist, dass die TV-Übertragungen dazu beitragen, unseren Sport und seine Werte – Fairness und Respekt vor Mitspielern, Gegnern und vor allem auch den Schiedsrichtern – ins Bewusstsein deutscher Sportfans zu rücken.“
Die Titelfavoriten bei der WM: „Ich glaube, dass sich im Viertelfinale Titelverteidiger Neuseeland, Südafrika, England und Australien durchsetzen werden. Australien stand auch 2015 im Finale und kann an einem guten Tag Neuseeland schlagen. Mein gar nicht so geheimer Geheimfavorit ist allerdings Südafrika.“
Spieler, auf die man achten sollte: „Ich beschränke mich mal auf meine vier Halbfinaltipps. Der Australier Kurtley Beale (30) ist ein Spieler, der zu Weltklasseleistungen fähig ist. Südafrika hat mit Siya Kolisi (28) den ersten farbigen Kapitän. Bei Neuseelands „All Blacks“ könnte ich alle Spieler nennen, besonders interessant finde ich Richie Mo’unga (25). Und bei den Engländern dürfte Kapitän Owen Farrell (27) eine hervorgehobene Rolle spielen.“