Sendenhorst. Ab Donnerstag findet in Aachen der CHIO-Nationenpreis der Springreiter statt. Bundestrainer Otto Becker über hohe Belastungen und eine Rückkehr.

Otto Becker könnte vor dem CHIO in Aachen einfach nur gut gelaunt sein. Doch der Bundestrainer der deutschen Springreiter warnt. Denn obwohl er gemeinsam mit Breido Graf zu Rantzau, dem Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), pünktlich zum selbst ernannten Weltfest des Pferdesports in der Aachener Soers den Top-Reiter Christian Ahlmann zurück ins Nationenpreisteam holte, stimmt ihn etwas nachdenklich.

Im Interview spricht der 60-Jährige über Ahlmanns Rückkehr, die Erwartungen an seine Reiter beim Nationenpreis am Donnerstag (ab 20.15 Uhr/WDR) und er stellt eine Forderung an den Internationalen Verband FEI auf.

Herr Becker, pünktlich zum CHIO ist es gelungen, Christian Ahlmann zur Unterschrift unter die Kadervereinbarung zu bewegen. Wie erleichtert sind Sie, dass nach Daniel Deußer auch Christian Ahlmann wieder für Deutschland reitet?

Otto Becker: Ich bin sehr froh, dass nach Daniel auch Christian wieder zurück im Team ist. Es war ein langer und teils schwieriger Weg, den wir in den vergangenen Wochen und Monaten gehen mussten. Vor allem unser Präsident Breido Graf zu Rantzau hat sich auf diesem sehr eingebracht. Er hatte es sich auf die Fahnen geschrieben, Daniel und Christian wieder zurückzuholen – und er hat es geschafft.

Können Sie erklären, an welchen Passagen der Kadervereinbarung sich die beiden besonders störten?

Otto Becker: Es waren einige Punkte – und am Ende haben sich beide Seiten angenähert und sind Kompromisse eingegangen. Die Kadervereinbarungen sind sehr strikt, aber das liegt nicht nur an unserem Verband. Das Thema Gerichtsbarkeit, das Christian moniert hat, war zum Beispiel ein Punkt, der für Diskussionen sorgte.

Wie emotional verliefen die Gespräche?

Otto Becker: Ich habe festgestellt, dass das Thema an sich für Daniel und Christian sehr emotional war – und für mich auch. Die Gespräche verliefen trotzdem sehr sachlich. Ich wollte die beiden zurück in der Mannschaft haben, weil sie Top-Reiter sind und weil ich sie in meiner Funktion als Bundestrainer in den vergangenen Jahren als absolute Teamplayer kennengelernt habe. Zu Christian habe ich ohnehin ein besonderes Verhältnis, da ich noch selbst mit ihm zusammen im Team bei Championaten gestartet bin. Also, die Angelegenheit war auch für mich emotional, aber irgendwie war es auch mein Job, die beiden zurückzuholen.

In Aachen bieten Sie jetzt Daniel Deußer, Christian Ahlmann, Marcus Ehning, Maurice Tebbel und Simone Blum als Weltmeisterin auf. Vorsichtig gesagt: Die Namen hören sich vielversprechend an.

Otto Becker: (lacht) Unser Team ist diesmal sehr erfahren und hört sich von den Namen her sehr gut an. Dass sich der eine oder andere Reiter gerade neue Pferde aufbaut, ändert daran nichts. Unser Blick geht jetzt nach Aachen, dann zur EM nach Rotterdam – aber über allem stehen die Planungen für die Olympischen Spiele 2020.

2018 siegte Ihre Mannschaft sensationell. In dieser Saison hätten die Ergebnisse bislang besser sein können, oder?

Otto Becker: Aachen haben wir im vergangenen Jahr gewonnen – und das ist auch in diesem Jahr unser Ziel. Allerdings ist es richtig, dass sich unser Erfolg in dieser Saison noch in Grenzen hält. Im Moment haben wir leider wenig erfahrene Top-Paare. Früher haben wir aus dem Vollen schöpfen und zwei, drei Teams stellen können. Aber diese Zeiten sind leider vorbei.

Woran liegt das?

Otto Becker: Wenn irgendwo ein Top-Pferd auftaucht, steht das Telefon nicht mehr still und es wird weggekauft. Viele Reiter müssen verkaufen, um ihren Stall zu unterhalten.

Kann die FN in solchen Fällen nicht helfen, ein Top-Pferd in Deutschland zu behalten?

Otto Becker: Helfen und Kontakte knüpfen ja, aber sie kann nicht die Pferde komplett kaufen. Es geht bei Top-Pferden schnell um siebenstellige Summen, da hört es irgendwann auf.

Welchen Stellenwert besitzt die Nationenpreis-Serie zwischen Global Champions Tour oder Riders Tour überhaupt noch?

Otto Becker: Für mich -- und für die Reiter – ist der Nationenpreis die wichtigste Serie. Sie ist unsere olympische Zukunft. Es ist die einzige Serie, bei der man alle, die mit dem Reiten zu tun haben, vereinen kann. Ob Reiter, Pfleger, Züchter, Sponsoren, normale Zuschauer oder jemand, der gar nichts von Pferden versteht: Wenn es ums Land geht, fiebern alle mit und drücken die Daumen.

Trotzdem erliegen die Reiter auch immer wieder dem Reiz der enormen Preisgelder anderer Serien.

Otto Becker: Die anderen Serien haben sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Die Nationenpreis-Serie ist stagniert. Deshalb sehe ich die FEI mit ihrem Präsidenten Ingmar de Voss in der Pflicht, die Nationenpreis-Serie zu verbessern. Es müssen die besten Turniere in der Serie sein und sie müssen dementsprechend dotiert sein. Dann wird es noch einfacher, die Reiter zu motivieren.

Ist das derzeit ein Problem?

Otto Becker: Zum Glück nicht. Auch wenn es weniger Preisgeld zu gewinnen gibt, starten die Reiter trotzdem, weil sie für ihr Land reiten möchten. Etwas anderes bereitet mir mehr Kopfzerbrechen.

Was denn?

Otto Becker: Durch die Vielzahl der Turniere sind wir jetzt an einem Punkt, an dem es für Reiter und Pferde zu viel ist. Die Global Champions Tour hat 20 Turniere, es gibt andere Top-Turniere und die Nationenpreis-Serie – es ist zu viel geworden. Wir müssen versuchen, den Kalender zu entzerren.