London. Die 6:2, 2:6, 1:6-Niederlage der deutschen Tennisspielerin Angelique Kerber gegen Lauren Davis ist die erste Sensation von Wimbledon.
Mumienwickeln, das war in den 80er-Jahren ein beliebtes Spiel auf Kindergeburtstagen. Als sich Lauren Davis am Donnerstagnachmittag, nachdem sie in ihrem Zweitrundenmatch in Wimbledon den ersten Satz gegen Titelverteidigerin Angelique Kerber mit 2:6 verloren hatte, auch noch den linken Fuß mit Tapeband abkleben ließ, fühlte man sich an das lustige Spielchen aus der Kindheit erinnert. Schließlich waren auch schon das linke Knie und die rechte Schulter der 25 Jahre alten US-Amerikanerin dick bandagiert.
Das jedoch hielt die Nummer 95 der Weltrangliste nicht davon ab, für die erste richtige Sensation dieser 133. All England Championships zu sorgen. Nach 1:55 Stunden Spielzeit verließ Kerber, das Handtuch über den Kopf gezogen, nach ihrer 6:2, 2:6, 1:6-Schlappe den Showcourt 2.
Deutsches Achtelfinale verpasst
„Ich habe über die gesamte Dauer nicht mein Spiel gefunden. Die Energie war von Anfang an nicht da. Woran das lag, weiß ich nicht. Es gibt solche Tage, das muss man akzeptieren“, sagte Kerber eineinhalb Stunden nach Spielende in der Pressekonferenz. Der Auftritt, den die Weltranglistenfünfte mit ihrem ersten Zweitrundenaus in Wimbledon seit 2013 bezahlte, warf indes Fragen auf, auf die sie Antworten wird finden müssen.
Noch am Sonntag hatte Kerber sich gelöst wie selten gegeben, hatte von der Lust gesprochen, die die Rückkehr an die Stätte ihres wichtigsten Triumphes in ihr ausgelöst habe. Am Donnerstag war davon nichts, aber auch gar nichts mehr zu sehen. Lustvoll spielte nur Lauren Davis, die Mitte des zweiten Satzes die Kontrolle über ein von unglaublich schwachen Aufschlägen geprägtes Match übernahm.
Kerber fehlt die Dominanz
Kerber, die sich gegen abwartende Gegnerinnen traditionell schwer tut, schaffte es in keiner Phase, die Dominanz auszustrahlen, die einer Titelverteidigerin würdig gewesen wäre. Ihre Beinarbeit war kaum existent, sie gab Bälle verloren, die sie in Bestform mit verbundenen Augen erlaufen und ins Feld zurückgespielt hätte. „Ich habe alles gegeben, was ich konnte“, sagte sie, es ist ein Satz, den man von ihr nach Niederlagen häufig hört. Selten passte er allerdings so wenig wie diesmal.
Erst im letzten Spiel des dritten Satzes zeigte die dreifache Grand-Slam-Siegerin so etwas wie Kampfgeist, als sie die ersten beiden Matchbälle abwehrte. Nutzen tat das nichts, Davis ließ sich den zweiten Sieg über eine Top-fünf-Spielerin ihrer Karriere nicht mehr nehmen. „Es ist surreal, dass ich das geschafft habe“, sagte die US-Amerikanerin, die zu Jahresbeginn nicht einmal unter den besten 250 der Welt gestanden hatte und nun auf die Spanierin Carla Suarez Navarro (30/Nr. 31) trifft.
Kerber trägt Konflikt mit Trainer Schüttler offen aus
Wie es für Angelique Kerber weitergeht, bleibt abzuwarten. Zunächst wolle sie „ein paar Tage abtauchen und Pause machen, das Spiel so schnell wie möglich vergessen und mich dann auf die US Open vorbereiten.“ Ihre Grand-Slam-Bilanz mit Achtelfinalaus in Australien und Erstrundenpleite bei den French Open ist ernüchternd, einen Turniersieg hat sie in dieser Saison ebenfalls noch nicht geschafft.
Zwar waren Krankheiten und Verletzungen ständige Begleiter im ersten Halbjahr, zuletzt jedoch zeigte die Formkurve mit der Finalteilnahme in Eastbourne und dem Halbfinalstart auf Mallorca wenigstens auf Rasen wieder nach oben. Der verstörende Rückschlag vom Donnerstag allerdings wird die Diskussionen um die Zusammenarbeit mit dem früheren Weltranglistenfünften Rainer Schüttler (43) erneut anfachen.
Im dritten Satz trat ein Konflikt mit ihrem Trainerteam um Chefcoach Schüttler zutage, als Kerber nach einem weiteren ihrer 31 unerzwungenen Fehler – Davis unterliefen davon sogar 50 – lautstark in Richtung ihrer Box pöbelte und zweimal heftig abwinkte. Die Gesten seien „aus der Emotion heraus“ passiert, sagte sie. So emotionslos, wie ihr gesamter Auftritt wirkte, war das schwer zu glauben.
Kerber verpasst Duell mit Görges
Angesichts von Kerbers Ausscheiden war das mögliche deutsche Achtelfinalduell mit Julia Görges (30/Bad Oldesloe), die ihr Zweitrundenmatch gegen die Russin Varvara Flink (22/Nr. 141) souverän 6:1, 6:4 gewinnen konnte, passé. Görges darf zunächst am Sonnabend in Runde drei zur Neuauflage des Halbfinales von 2018 gegen US-Ikone Serena Williams (37) antreten, die sich gegen die slowakische Qualifikantin Kaja Juvan (18) 2:6, 6:2, 6:4 durchsetzte. „Ich freue mich über meine Leistung heute und möchte gar nicht so viel über Serena reden. Ich muss mich auf mein Spiel konzentrieren und auf das, was ich beeinflussen kann“, sagte die Nummer 17 der Weltrangliste.