Hamburg/Essen. Bundestrainer Dorian Rogozenco legt großen Wert auf die Psychologie des Spiels. In Deutschland gibt es viele Spieler, aber keiner ist Weltspitze.

Schachspielen steigert signifikant den Intelligenzquotienten, Schach fördert die Kreativität, Schachspieler erkranken seltener an Alzheimer, Schach trainiert das Gedächtnis. Die positiven Aspekte ließen sich noch um einige Punkte erweitern. Und da Schach auch noch Spaß macht, spielen Millionen Deutsche das königliche Spiel. 89.975 davon sind in den 2357 Vereinen des Deutschen Schach-Bundes organisiert. Doch bei aller Begeisterung in Deutschland: Nur drei deutsche Schachspieler können von ihrem Sport leben.

„Wir haben nur drei Profis und einen Halb-Profi in Deutschland"

Und so ist die Aufgabe des Bundestrainers keine einfache. Dorian Rogozenco ist seit 2014 Bundestrainer und betreut die deutschen Schach-Nationalmannschaften. Rogozenco ist 1973 in Moldawien geboren und lebt seit 1995 in Deutschland. „Wir haben nur drei Profis und einen Halb-Profi in Deutschland. In anderen Ländern wie in Russland, Iran oder Indien sind es viel, viel mehr“, sagt Rogozenco. Nur Liviu-Dieter Nisipeanu, ein gebürtiger Rumäne, Daniel Fridman, ein gebürtiger Lette, der seit vielen Jahren im Ruhrgebiet lebt und seit 2004 in der Bundesliga für den SV Mülheim-Nord spielt, und Rasmus Svane, ein gebürtiger Däne, sind von Beruf Schachspieler. „Hinzu kommt noch Georg Meier als Halb-Profi“, sagt Rogozenco, der in Hamburg lebt.

Meier hat auch einmal voll auf die Karte Schach gesetzt, entschied sich aber trotz des Gewinns des EM-Titels 2011 mit der deutschen Mannschaft dagegen. „Es ist in Deutschland nicht einfach. Schließlich wollen die Spieler auch im Beruf vorankommen“, sagt Rogozenco.

In der Bundesliga für Hamburger SK

Der Bundestrainer ist sowohl für das deutsche Frauen- als auch Männer-Nationalteam verantwortlich. Er ist die Verbindung zwischen den Spielern und dem Deutschen Schach-Bund, kümmert sich um Fördermaßnahmen und fungiert bei den Titelkämpfen als Kapitän. Zunächst war er nicht festangestellt. Doch inzwischen arbeitet er hauptberuflich, weil die Aufgaben zu vielfältig sind.

„Ich kann deshalb nur noch selten selbst an Turnieren teilnehmen“, erklärt Rogozenco. Der Bundestrainer will sich aber nicht ganz zurückziehen. In der Bundesliga spielt er für den Hamburger SK. „Ich muss weiterhin das Gefühl haben, wie man bei einem Turnier in einer engen Partie spielt“, sagt er. „Es ist wichtig, beim Schach die psychologische Seite zu berücksichtigen.“

Die Spieler sind besser als der Bundestrainer

Schachspieler haben eine sogenannte Elo-Zahl, an denen die aktuelle Spielstärke gemessen wird. Während die deutschen Spitzenspieler Nisipeanu und Fridman in der März-Liste mit 2670 bzw. 2633 Elo-Punkten notiert sind, hat Rogozenco 2493 Punkte. Ist es ein Problem, dass das aktuelle Leistungsvermögens des Bundestrainers so deutlich geringer ist als das seiner Asse? „Nein“, antwortet Großmeister Rogozenco. „Es gibt ohnehin Schachprogramme, die den besten Zug in einer bestimmten Stellung zeigen. Selbst der Weltmeister kann nicht so schnell und tief rechnen. Aber der Bundestrainer sollte schon Großmeister-Niveau haben.“

Der Bundestrainer berät seine Spieler nicht nur in schachspezifischen Fragen wie die Eröffnungsvorbereitung, sondern legt auch Wert auf die psychologische Seite. „Schach ist ein Kopfsport. Besonders wichtig ist die psychologische Komponente im Frauenschach“, sagt Rogozenco. „Das spielerische Niveau ist nicht so hoch wie bei den Männern. Deshalb ist es bei Frauen nicht so bedeutend, ob ein Zug hundertprozentig korrekt ist. Man muss die Nerven behalten, wenn man aus der Eröffnung nicht so gut herauskommt.“

Ein Spielerin im Kreis der erweiterten Weltspitze

Mit Elisabeth Pähtz gehört eine Frau zur erweiterten Weltspitze. Die 34-Jährige ist zwar wieder aus den Top Ten der Welt herausgefallen, doch brillierte sie zuletzt mit dem dritten Platz bei den Europameisterschaften. Bei den Männern wird mit Nisipeanu auf Platz 70 nur ein deutscher Spieler unter den Top 100 der Welt geführt. Doch mit Vincent Keymer gibt es ein Supertalent, das zu großen Hoffnungen berechtigt.

Mit 14 Jahren spielt Keymer schon so stark wie ein Großmeister. Zuletzt belegte er bei der Grenke Chess Classic, dem bedeutendsten Turnier in Deutschland, den letzten Platz, aber er spielte gegen die Besten der Welt durchaus auf Augenhöhe. Auch Weltmeister Magnus Carlsen war voll des Lobes. Erst nach einem Marathon-Match von sechs Stunden und 45 Minuten schaffte der Norweger den Sieg gegen Keymer. „Es war hart, er ist ein guter Spieler“, sagte Carlsen über seinen Gegner.

Auch Rogozenco ist von Keymer begeistert. „Vincent ist ein ganz großes Talent“, sagt der Bundestrainer. „Ich traue ihm sehr, sehr viel für die Zukunft dazu.“ Noch ist es ein weiter Weg an die Weltspitze, doch Keymer scheint das Zeug zu einem Spitzenspieler zu haben. Viele hoffen, dass er in Deutschland so einen Schach-Boom auslöst, wie es Magnus Carlsen in Norwegen getan hat. Dort werden Carlsens Partien live im Fernsehen übertragen. So weit ist es hierzulande längst nicht. Immerhin sagt der Bundestrainer: „Vincent ist reif für die Nationalmannschaft.