Essen. Das Urteil zur Leichtathletin Caster Semenya antwortet auf einen komplexen Fall mit einer Lösung aus überkommenen Zeiten. Ein Kommentar.

Das internationale Sportgericht CAS hat entschieden, dass die südafrikanische Sportlerin Caster Semenya künftig mit Hilfe von Medikamenten ihren Testosteron-Spiegel senken muss, wenn sie weiter an Wettkämpfen in ihren Kerndisziplinen – Laufstrecken zwischen 400 und 1600 Metern – teilnehmen will. Genauer gesagt hat der CAS Regeln des Internationalen Leichtathletikverbandes bestätigt, die das von Semenya verlangen.

Der Fall entzieht sich einer einfachen Bewertung: Sportlerinnen und Verbände begrüßen das Urteil, weil es Wettbewerbsvorteile beseitigt. Tatsächlich scheint Caster Semenya, die sich selber als Frau sieht, durch den hohen Testosteron-Spiegel im Körper deutlich schneller als ihre Konkurrentinnen zu laufen. Der Internationale Leichtathletikverband zog das nach Tests, die nach ihrem WM-Titel über 800 Meter im Jahr 2009 angeordnet waren, nicht in Zweifel, nicht ganz zumindest: „Es ist klar, dass sie eine Frau ist, aber vielleicht nicht zu 100 Prozent“, hieß es in einer Mitteilung des Verbandes.

Umstrittene Studien als Grundlage der Entscheidung

Die Regeln des Leichtathletikverbandes, die der CAS bestätigt, basieren auf Studien, die den Zusammenhang zwischen Testosteron-Spiegel und Leistung belegen sollen: Die Studien leisten das, sind aber offenbar in der Fachwelt auch nicht unumstritten.

Es gibt in der Angelegenheit einen einfachen Fakt. Das Urteil ist diskriminierend. Das bestätigt der CAS in einer ersten kurzen Urteilsbegründung und hält das wegen der Wettbewerbsgerechtigkeit sogar für richtig.

Diskriminierung ist nicht tolerierbar

Hier ist der eine große Fehler in der Angelegenheit zu sehen. Die Diskriminierung eines Menschen ist eben nicht so einfach tolerierbar. Seit einigen Jahren beginnen sich einige (wenige) aufgeklärte Gesellschaften zu öffnen, schienen sich altgefügte Geschlechter- und Sexualbilder langsam aufzulösen, Themen wie Trans- und Intersexualität werden zumindest diskussionsfähig. Das, so könnte man gut begründen, ist für freiheitliche und tolerante Gesellschaften überfällig, weil es sich eben nicht um neue, sondern oft über lange Zeit unterdrückte Themen handelt.

Die Aufweichung althergebrachter Geschlechts- und Rollenbilder fällt vielen Menschen nicht leicht, das gilt insbesondere für den Sport. Dennoch bleibt das Gefühl, der Leichtathletikverband habe sich vom CAS eine Regel für das 21. Jahrhundert mit Köpfen und Denken aus den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts bestätigen lassen – es sich also angesichts eines komplexen Problems im Spannungsfeld von Wettbewerbsgerechtigkeit und Minderheitenschutz deutlich zu einfach gemacht. Er missachtet, um ein weites Feld zu nennen, die Menschenrechte. Und er zwingt im Detail eine Sportlerin zur Manipulation ihres Körpers mit Medikamenten, also zu gesundheitsgefährdendem Eingriff.

Im Fall von Caster Semenya mag der Weg, sie Leistungssport treiben zu lassen, noch nicht klar erkennbar sein. Der Weg, den IAAF und CAS beschreiten wollen, scheint falsch.