Dortmund. Ruder-Bundestrainer Uwe Bender sucht aus 26 Kandidaten die besten aus und formt sie zum Deutschland-Achter. Das Paradeboot holte zwei Weltmeister-Titel in Serie. Aber das große Ziel sind die Olympischen Spiele 2020.

Inmitten all dessen, was sich auf Schreibtischen so ansammelt, steht ein schwarz-gelbes Fähnchen mit dem Logo von Borussia Dortmund. Der Arbeitsplatz gehört also einem Fan des traditionsreichen Fußballklubs. Abseits des Schreibtisches sitzt allerdings ein Gastgeber, der in diesem Raum selbst nur Gast ist und Fußball eher am Rande verfolgt.

Für das Gespräch über seinen Job als Trainer des Deutschland-Achters ist Uwe Bender für eine Dreiviertelstunde umgezogen in das Zimmer seines Vorgängers. „Wir sitzen hier im Büro von Ralf Holtmeyer“, sagt er fast beiläufig. Holtmeyer, eine Trainerlegende, ist an diesem Tag außer Haus, sein Telefon bleibt stumm, und es klopft niemand an, um etwas zu fragen oder zu holen oder um einfach nur hallo zu sagen, wie es in Benders eigenem Büro ein paar Türen weiter der Fall wäre.

Nachfolger von Ralf Holtmeyer

Der 59 Jahre alte Bender kennt keine Berührungsängste. Vor kurzem erst ist er gemeinsam mit Holtmeyer auf dem Motorboot rausgefahren, als der Deutschlandachter auf dem Dortmund-Ems-Kanal trainiert hat, was mitten im Winter keine Selbstverständlichkeit ist. Jetzt also sitzt Bender an Holtmeyers rundem Besuchertisch und spricht über seine Arbeit und den langen Schatten seines Vorgängers, der viele internationale Titel mit dem Großboot gewonnen und den Deutschlandachter zweimal zu olympischem Gold geführt hat. Zuletzt gelang dies in London 2012. Nach dem Gewinn der Silbermedaille vier Jahre später in Rio bot Holtmeyer dem erfahrenen Bender an, den Achter zu übernehmen. „Ralf hat mich gefragt, ob ich mir das zutrauen würde“, berichtet Bender, „und ich habe ,Ja’ gesagt.“

Eigentlich hatte Bender nur für ein Jahr einspringen und das Boot dann wieder an den Startrainer zurückgeben sollen, der nur ein wenig kürzer treten wollte, um danach wieder voll einzusteigen. Für Herbst 2017 war ein Übergabetermin vereinbart, und Bender hatte sich „schon ein bisschen aus dem Achter-Training rausgezogen“. Aber dann kam „alles ganz anders und ganz schnell“: Holtmeyer stieg zum leitenden Bundestrainer des Deutschen Ruder-Verbandes auf.

Bender wiederum war mit seiner Crew zuerst Europa- und dann Weltmeister geworden. Zwei sportliche Gründe mehr, ihn in der Position des Chef-Bundestrainers für die Disziplin Männer-Riemenrudern zu belassen. Das Vorzeigeboot schwamm auch im zweiten Jahr unter seiner Regie auf der Erfolgswelle weiter und wiederholte die Triumphe der vorherigen Saison.

Der Trainer schließt um 7 Uhr auf

Bender arbeitet mit 26 hochbegabten Sportlern, die das Ziel verfolgen, einen Platz im Achter zu ergattern. Aber auch der Vierer und der Zweier bieten attraktive Perspektiven im „Team Deutschlandachter“. Wenn die Athleten morgens zum Training kommen, ist Bender schon da. „Ich bin um sieben Uhr meistens der erste an den Bootshäusern und schließe auf“, sagt er. Eine halbe Stunde später beginnt am Bundesleistungszentrum Rudern in Dortmund die erste von zwei Einheiten täglich. Zweimal am Tag zu trainieren sei unumgänglich, um die Hauptkonkurrenten aus Großbritannien und Australien in Schach zu halten, sagt der Bundestrainer.

Das Training startet auch deshalb so früh, weil viele Ruderer am Stützpunkt Dortmund Studenten sind, die zeitig aufstehen müssen, um Studium und Sport miteinander vereinbaren zu können. Im Winter ist es noch dunkel, wenn der Arbeitstag beginnt. Dann gewinnt der Ruder-Ergometer an Bedeutung – wenn die Mannschaft nicht gerade im speziellen Trainingslager auf die Form für die Saison hinarbeitet. Das geschieht nicht nur in der Sonne des Südens, sondern zuweilen auch in den Langlaufloipen von St. Moritz.

Die deutschen Ruderer jubeln über den Weltmeister-Titel 2018.
Die deutschen Ruderer jubeln über den Weltmeister-Titel 2018. © dpa

Was sich nach Urlaub im Schweizer Nobel-Skiort anhört, artet für die Ruderer – als Athletik-Block – in Arbeit aus. „Das ist mal eine Abwechslung und kommt sehr gut an“, sagt Bender, von dem es heißt, er pflege einen weniger autoritären Führungsstil als sein Vorgänger und habe auch, wenn es mal nicht ums Rudern geht, ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Sportler.

Aus vier Zweiern wird ein Achter

Beim nächsten Trainingslager, Ende Februar in der Lombardei, steht wieder das Rudern selbst im Vordergrund. Dann geht es auch darum, die richtigen Zweier zu finden, die bei der Deutschen Kleinbootmeisterschaft in Köln im April Aufschluss darüber geben, wer in den Achter gehört. Die besten Zweier gelten als Favoriten für das Großboot, aber es gibt noch andere Kriterien wie den Ergometer-Test Ende März. Es komme nicht nur auf Zeiten und Platzierungen an, sagt Bender, sondern auch auf Eindrücke aus dem Training, die zeigten, „wer mit wem zusammenpasst“.

„Es ist das aufregendste Boot“

Der Achter ist eine der wenigen Mannschaften, die in Deutschland außerhalb des Fußballs dauerhaft eine herausragende Rolle spielen. Warum verkörpert der Achter eine besondere Faszination? Der Trainer muss es wissen: „Er ist das größte, schnellste und für die Fernsehzuschauer aufregendste Boot.“

Wo sonst gibt es so viel Action wie im Finale, wenn sechs große Boote mit so viel Tempo, mit so viel Dynamik um den Sieg streiten? Und ein Blick in die Geschichte zeigt: Nur wenigen deutsche Mannschaften gelingt es, so lange in der Weltspitze erfolgreich zu sein. Uwe Bender will mit seinen Athleten dafür sorgen, dass der Achter das Paradeboot bleibt. Im nächsten Jahr, bei den Olympischen Spielen in Tokio, folgt die Probe auf allerlei gelungene Exempel. Aber so weit denkt der Bundestrainer nicht. Erst einmal muss er in Dortmund die richtige Crew für die vorolympische Saison finden, um am Ende vielleicht wieder sagen zu können: „Es hat viel Spaß gemacht, von Sieg zu Sieg zu eilen.“