Hamburg. Patrick Esume ist Football-Experte bei ProSieben und berichtet vom Super Bowl. Uns verrät er, wen er vorn sieht: Rams oder Patriots.
Wie auch immer der 53. Super Bowl in der Nacht zu Montag (22.45 Uhr/ProSieben live) endet: Patrick Esume hat auf jeden Fall etwas zu feiern, fällt das Endspiel in Nordamerikas Football-Topliga NFL zwischen den New England Patriots und den Los Angeles Rams doch auf seinen 45. Geburtstag. Für uns analysiert der ProSieben-Experte, der mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern in Hamburg lebt, die Finalpartie, die er gemeinsam mit Ex-Profi Björn Werner, Jan Stecker und „Icke“ Dommisch live aus Atlanta begleiten wird.
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Die Trainer: "Es ist ein hochinteressantes Duell, das sich am Rande des Platzes abspielen wird. Aufseiten der Patriots steht mit Bill Belichick (66) ein Mann in der Verantwortung, der alles schon erlebt hat. Seit 2000 ist er Headcoach der Patriots, stand neunmal im Super Bowl und könnte ihn in Atlanta zum sechsten Mal gewinnen. Belichick und sein Coaching Staff wissen genau, was sie erwartet, sie werden mit einer großen Ruhe und Gelassenheit an ihre Aufgaben gehen.
Auf der anderen Seite haben die Rams mit Sean McVay (32) den jüngsten Headcoach, der jemals in einem Super Bowl gestanden hat. Er gilt als sehr innovativ, dennoch wird er die Aufregung spüren. Helfen könnte ihm, dass er mit Wade Phillips (71) einen sehr erfahrenen Defensive Coordinator an seiner Seite hat. Dadurch haben die Rams eigentlich zwei Headcoaches, und diese Kombination finde ich sehr spannend. Dennoch lautet mein Urteil: klarer Vorteil für die Patriots."
Die Quarterbacks: "Wer den „Goat“, den größten Spieler aller Zeiten, auf seiner Seite weiß, der muss sich nicht allzu große Sorgen machen. Tom Brady hat zwar nicht seine stärkste Regular Season gespielt, aber in den Play-offs hat er bewiesen, dass er in den Spielen voll da ist, in denen es auf ihn ankommt. Mehr als 70 Prozent seiner Pässe kamen an, in beiden Play-off-Spielen hat er knapp 350 Yards geworfen. Was mich an ihm besonders fasziniert, das ist der Hunger, den er trotz seiner 41 Jahre noch immer ausstrahlt. Wenn er seinen sechsten Titel gewinnt, werden wieder viele fragen: Wann hört er denn nun auf?
Und Brady wird sagen: „Sechs Titel sind super, aber jetzt greife ich Nummer sieben an!“ Das macht ihn so stark. Die Rams haben mit Jared Goff einen sehr jungen Spielmacher, er ist 24 und spielt sein erstes Finale. Er hat eine gute Saison gespielt, in den Play-offs stockt seine Leistung aber, was kein gutes Zeichen ist. Im Viertelfinale gegen Dallas hat er nur 53 Prozent seiner Pässe an den Mann gebracht. Wenn er etwas besser macht als Brady, dann ist es seine Mobilität, aber da beide Offensiven nicht von der Mobilität ihres Quarterbacks leben, ist das kein Faktor. Goff muss das Spiel seines Lebens machen, wenn die Rams siegen wollen. Deshalb: klarer Vorteil Patriots."
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Die Offensive: "Beide Teams sind durch ihr starkes Laufspiel tief in die Play-offs gekommen, deshalb wird es darauf ankommen, welche Defensive es besser schafft, den Gegner im Laufspiel zu stoppen. Der Unterschied ist, dass die Patriots sich dann, wenn ihr Lauf nicht läuft, auf das Passspiel verlassen können. Das macht sie so unberechenbar. Sie haben dank Spitzenkräften wie Runningback Sony Michel das ganze Repertoire des Laufspiels drauf, aber zusätzlich mit Brady einen Quarterback, der alles entscheiden kann, weil er Passempfänger wie Julian Edelman und Rob Gronkowski in Szene setzen kann.
Dagegen eine Taktik zu entwerfen, das ist unheimlich schwer, zumal Bill Belichick auch noch der Meister darin ist, mit seinen Tendenzen zu brechen und etwas ganz anderes zu tun, als der Gegner es erwartet. Bei den Rams ist Runningback Todd Gurley der Dreh- und Angelpunkt. Sie leben auch im Passspiel von ihren Läufen, weil sie sehr viel den Lauf antäuschen und mit ihren Receivern um Brandin Cooks die Eins-gegen-eins-Duelle suchen. Wenn man ihr Laufspiel stoppt, haben sie ein Problem. Sie haben allerdings eine so hohe Qualität, dass es nicht leicht ist, sie zu stoppen. Dennoch, vor allem wegen der Variabilität: klarer Vorteil für die Patriots."
Die Defensive: "Was das Spielerpotenzial betrifft, haben die Rams mehr Qualität. Mit Aqib Talib, Marcus Peters in der Passverteidigung, Ndamukong Suh und Aaron Donald haben sie eine Defensive, die ihresgleichen sucht. Dennoch haben sie ein Problem, die PS auf die Straße zu bekommen, denn sie sind ligaweit nur die Nummer 23 gegen das gegnerische Laufspiel. Das werden die Patriots zu nutzen versuchen. Ich glaube, dass ihre Offensive für die Defensive der Rams schwerer zu beherrschen sein wird als umgekehrt. Die Patriots lassen im Schnitt nur 20,3 Punkte pro Spiel zu, das ist ligaweit der siebtbeste Wert. Und seit Woche 12 sind sie das beste Team darin, Druck auf den gegnerischen Quarterback auszuüben. Jared Goff wird also sehr wenig Zeit und Ruhe bekommen. Deshalb, auch wenn die Qualität der Einzelspieler für die Rams spricht: Vorteil Patriots."
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Das Momentum: "Die Patriots haben die Rolle des Außenseiters, in die sie nach ihrer durchwachsenen Hauptrunde hereingerutscht sind, mittlerweile voll angenommen und ziehen daraus Kraft. Dass sie im Halbfinale bei den Kansas City Chiefs, dem heißesten Team der NFL zu dem Zeitpunkt, gewonnen haben, gibt ihnen einen Extraschub. Die Rams dagegen wissen, dass sie das Halbfinale bei den New Orleans Saints nur dank einer krassen Fehlentscheidung der Schiedsrichter gewonnen haben. Dazu kommt, dass die Patriots viel mehr Super-Bowl-Erfahrung haben. Deshalb klarer Vorteil Patriots."
Mein Urteil: "In allen Kategorien habe ich New England vorn, meist sogar klar. Wird es deshalb ein langweiliges Finale? Mitnichten! So ein Spiel lebt von Eins-gegen-eins-Duellen und der individuellen Qualität, und da sind die Rams nicht hoffnungslos unterlegen. Der Schlüssel wird sein, dass sie ihr Laufspiel auf den Platz kriegen. Wenn das gelingt und sie dadurch Tom Brady so lange wie möglich vom Feld halten, dann ist ein Sieg für Los Angeles nicht unmöglich. Dafür müssen deren Offensive Line und ihr Quarterback das Spiel ihres Lebens machen. Aber wann sollte das machbar sein, wenn nicht im Super Bowl gegen die Patriots?"