Melbourne. Tennis-Profi Osaka schlägt in Melbourne die Tschechin Petra Kvitova und übernimmt am Montag die Führung der Tennis-Weltrangliste.
Erst als schon alles gewonnen war an diesem aufregenden Abend, musste Naomi Osaka doch noch einmal kapitulieren in der Rod-Laver-Arena zu Melbourne. Ganz andere Lasten hatte sie gestemmt in der Finalnacht: Sie hatte drei Matchbälle vergeben, beim Stande von 7:6, 5:3 und 40:0 gegen Petra Kvitova, sie war danach eingebrochen, hatte sich aber wieder berappelt und sich doch noch den 7:6 (7:2), 5:7, 6:4-Sieg, den Australian-Open-Titel und auch Platz eins der Weltrangliste geholt.
Diesmal stiehlt niemand die Show
Aber mit der Gewinnertrophäe, dem Daphne-Akhurst-Pokal, war die 21-Jährige sichtlich überfordert. Etwas verspannt hielt sie das wuchtige Stück in den Händen, während sie die ersten Worte an die Kulisse richtete. Dann wurde es Osaka zu viel, sie wollte sich nicht stören lassen durch den gewichtigen Höchstpreis, stellte ihn entschlossen beiseite und sagte, wie befreit: „Es war eine Ehre, dieses Finale gegen Petra gespielt und gewonnen zu haben.“ Und: „Es ist ein unglaublicher, unwirklicher Moment für mich.“
Es war auch und besonders ein schöner öffentlicher Abschiedsmoment, ein Bild der Harmonie nach einem verbissenen, hochklassigen, jederzeit fairen Grand-Slam-Kampf. Und damit so ganz anders als beim Premierensieg der jungen Japanerin, vor gut vier Monaten in New York – damals hatte die wild erzürnte Serena Williams mit ihren zornigen Einlagen gegen Schiedsrichter und Offizielle den Debüterfolg Osakas überschattet. Nun aber: kein Chaos, keine Kontroverse, kein Unfrieden, sondern nur Respekt und Anerkennung einerseits für die Siegerin Osaka, die wohl auch mitbestimmende Führungskraft in näherer Zukunft.
Und Verbeugung auch für Petra Kvitova, die unter allen Spielerinnen des Wanderzirkus das gegenwärtig beeindruckendste Comeback produziert hat – zwei Jahre und einen Monat nach dem Messerattentat eines Einbrechers daheim im tschechischen Prostejow konnte Kvitova stolz auf ihr Endspielmitwirken und das Vorrücken auf Platz zwei der Tennis-Hitparade sein. „Es ist zwar enttäuschend, dass ich verloren habe. Aber diese Finalteilnahme ist auch eine Genugtuung für mich.“
Es gab reichlich Drama in knapp zweieinhalb Stunden auf dem Hauptplatz der Australian Open, allerdings aus den richtigen, rein sportlichen Gründen. Wie sich Osaka durch die Aufs und Abs dieser spannungsgeladenen Partie kämpfte, durch manche Irrungen und Wirrungen auch, war mehr als beeindruckend. Eben noch kurz vor dem Sieg, dann kurz vor einem ungebremsten Absturz, zu guter Letzt dann aber doch wieder in spielbestimmender Verfassung und Form.
Mental war das eine Herausforderung der besonderen Art, die sich mit dem fünften, endlich verwandelten Matchball in einem Happy-End auflöste. Da war dann eben auch vergessen, dass Osakas Titeltraum heftig zu zerplatzten drohte, als sie Ende des zweiten Satzes und zu Beginn des dritten Satzes den kühlen Kopf und ihre Contenance verlor. Zwischenzeitlich holte sie da einmal nur noch vier von 25 gespielten Punkten, verabschiedete sich vor dem dritten Akt – mit einem Handtuch über dem Kopf und den Tränen nahe – für eine Toilettenpause in die Katakomben.
Die erste Eins aus Asien
Und dann verschwand die gefährliche Krise genauso jäh, wie sie gekommen war. Vom 0:1 im dritten Satz an schaltete Osaka den Turbo in Betrieb, ging 3:1 in Führung, hielt den Vorsprung eisern, bis die rund 2,5 Millionen Euro Preisgeld eingestrichen waren. Sie hatte wieder zu sich selbst gefunden, zu ihrer psychischen Ausgeglichenheit, zu den massiven Gewinnschlägen. Zum Format, das zu einer Nummer-1-Spielerin passte. Vor einem Jahr stand sie während der Australian Open noch auf Platz 72 in der Hierarchie des Damentennis. Jetzt war sie schwarz auf weiß die Beste der Welt, zweimalige Grand-Slam-Königin. Und ganz nebenbei auch die erste Spitzenreiter, die aus Asien stammt.