Melbourne. US-Tennisprofi Serena Willams verliert bei den Australian Open in einem denkwürdigen Match gegen die Tschechin Karolina Pliskowa.
Man hätte sich an diesem Australian Open-Mittwoch ein kleines Vermögen verdienen können. Man hätte allerdings auch komplett verrückt sein müssen, bei einer 5:1- und 40:30-Führung von Serena Williams im dritten, alles entscheidenden Satz gegen Karolina Pliskova auf eine Niederlage von Serena Williams zu setzen. Doch es passierte genau dies, das Unmögliche, Unfassbare, der große, absurde, urplötzliche Dreh eines denkwürdigen Viertelfinal-Thrillers in der Rod Laver-Arena.
Williams zeigt sich bitter enttäuscht
Williams, die prägende Figur dieser Ära, verließ zuletzt als grimmige 4:6, 6:4, 5:7-Verliererin den Platz, es war großes, dramatisches Tennis-Kino auch mit vier vergebenen Matchbällen der polarisierenden Amerikanerin. „Warum ich jetzt ausgeschieden bin, weiß ich auch nicht so genau“, sagte die bitter enttäuschte Titel-Aspirantin später, „es wird dauern, über dieses Match, über diese Niederlage hinwegzukommen.“
Das Spiel schien schon vorbei
Ein neuerlicher Black-Out der Ausnahmespielerin allerdings blieb aus an Tag 9 der Ausscheidungsspiele von Melbourne, ein Eklat oder Skandal – obwohl ein solcher Zorn- und Wutausbruch durchaus nahe lag. Denn bevor sich der Plot dieses Matches noch einmal sensationell wendete, hatte Williams bei jener 5:1, 40:30-Führung ein Ass ins Feld der baumlangen Tschechin platziert.
Es war eigentlich alles vorbei, Williams schien ins Halbfinale eingezogen, doch in der nächsten Sekunde erscholl der „Fußfehler“-Ruf einer Linienrichterin. Das Ass war annulliert, das Ende der Partie aufgehoben. Aber Williams hielt irgendwie eisern die Contenance, verzichtete auf eine ähnlich wüste Schimpftirade wie noch im US Open-Finale gegen die Japanerin Naomi Osaka. Vielleicht auch, weil sie glaubte, der Aufwand lohne sich nicht, mit einer beruhigenden, haushohen Führung im Rücken.
Leichte Verletzung nach vergebenem Matchball
Aber es kam dann alles ganz anders. Beim nächsten Ballwechsel knickte Williams leicht mit dem Knöchel um, sie verlor den Matchball, sie servierte danach einen Doppelfehler, sie musste das 2:5 hinnehmen. Und dann ging es für die etwas angeschlagene Powerfrau schleichend, aber unaufhaltsam bergab, erst 3:5, dann 4:5 gegen eine Rivalin, die plötzlich wie aufgedreht spielte, wieder Mut und Zutrauen fasste und Gewinnschläge in Serie produzierte. „Sie hat überirdisch ausgesehen in den letzten Minuten“, sagte Williams hinterher, „so gut habe ich sie noch nie erlebt.“
Pliskova wehrt sich fulminant
Was besonders für das spektakuläre zehnte Spiel dieses dritten Aktes galt: Da nämlich hatte Williams auf einmal noch drei weitere Matchbälle, ebenso jäh wie unerwartet nach dem krassen Absturz zuvor. Pliskova, der gern in solchen Partien und Situationen die Nerven versagen, wehrte sich aber fulminant, erzwang das 5:5 und brach damit endgültig den Widerstand der 37-jährigen Tennismutter. „Beim ersten Matchball war ich gedanklich schon halb in der Umkleidekabine“, sagte die Tschechin hinterher, „und nun stehe ich im Halbfinale. Ich kann es nicht fassen.“
Williams lobt ihre Gegnerin
Williams wies später alle Spekulationen zurück, der Auslöser der aufsehenerregenden Niederlage sei die dezente Verletzung gewesen, der Ausrutscher beim ersten Matchball: „Es war die großartige Leistung von Karolina“, sagte sie, „ich sah auch keinen Grund, mich behandeln zu lassen. Es wirkte alles okay für mich, nicht so schlimm.“ Geplatzt war mit dem irrwitzigen Scheitern der Überfrau des Welttennis so nicht nur der Traum vom 24. Rekordtitel auf Grand Slam-Niveau, sondern, ganz und gar nicht nebenbei, auch eine neuerliche Verabredung mit der US Open-Gewinnerin Naomi Osaka.
Denn die Neuauflage des irren New Yorker Finales wäre an diesem Donnerstag zu bewundern gewesen, Osaka hatte mit ihrem 6:4, 6:1-Sieg über die Ukrainerin Elina Svitolina dafür die Steilvorlage geliefert. Aber Williams verwertete den Paß nicht, das große Drama war schon vorbei, ehe sich die Kontrahentinnen der legendären Big Apple-Partie wiederbegegnen konnten.
Bemerkenswert, aber wahr: Im Halbfinale war Tennis-Amerika dennoch vertreten. Nicht durch die ewige Serena. Sondern durch eine gewisse Danielle Collins, die 25-jährige Überraschungsfigur aus Florida, die auch die beiden deutschen Asse Angelique Kerber und Julia Görges aus dem Titelrennen geworfen hatte. Vor den Australian Open 2019 hatte Collins genau null Spiele bei einem Major-Turnier gewonnen.