Berlin. Sanft und kolossal: Das ist der Duisburger Patrick Wiencek. In der Nationalmannschaft bildet er mit Hendrik Pekeler das Abwehrherz.
Am Abend nach dem 25:25 gegen Frankreich und dem damit verbundenen Hauptrundeneinzug konnte Patrick Wiencek nicht einschlafen. Er lag im Bett, schaltete durch die TV-Kanäle und blieb schließlich bei der Wiederholung des Dschungelcamps hängen. Auf dem Bildschirm schlugen sich vermeintliche Promis mit Insekten herum, aber Wiencek hatte noch die Bilder im Kopf, wie er sich Stunden zuvor mit der Prominenz des Welthandballs herumgeschlagen hatte. Wie er Kentin Mahé in den Anfangsminuten des vierten Vorrundenspiels der WM herumgewirbelt, wie er sich aufreibende Duelle mit Ludovic Fabregas und Adrien Dipanda geliefert hatte. In der 20. Minute hatte er sein Trikot wechseln müssen – es war gerissen.
Zwei-Mann-Mauer vor dem Tor
Irgendwann schlief der 29-jährige Duisburger ein, auf der anderen Seite des Raums lag Steffen Weinhold. Man könnte vermuten, dass Wiencek sich ein Zimmer mit Hendrik Pekeler teilen würde. Aber vielleicht wäre das ein wenig zu viel des Guten, teilen sich Wiencek und Pekeler doch schon so Vieles. Nicht nur in der Nationalmannschaft bei dieser WM, sondern auch bei ihrem Bundesligaverein THW Kiel. Sie teilen sich die Spielminuten auf der Kreisläuferposition im Angriff und verrichten gemeinsam die Abwehrarbeit. Sie bilden meist den Mittelblock, die zentrale Zwei-Mann-Mauer vor dem Tor. Hier treffen die großen Jungs der einen und die großen Jungs der anderen Mannschaft aufeinander. Es wird gezerrt und geklammert, geschubst und gehalten. „Wenn der Gegner über 100 Kilo wiegt, solltest du die Masse haben, dagegenzuhalten”, sagt Patrick Wiencek.
Gegenspieler gehen zu Boden
Patrick Wiencek hat die Masse. Zwei Meter ist er groß, 116 Kilo schwer. „Bam Bam” nennen sie ihn. Wegen seines rustikalen Körpereinsatzes, durch den so mancher Gegenspieler schon mal wie durch den Schuss einer Kanone getroffen zu Boden geht. Aber auch, weil er mit seinen strohblonden Haaren an den gleichnamigen Jungen aus der Zeichentrickserie Familie Feuerstein erinnert. An diesen freundlichen und sanften Typen, der auch mächtig austeilen kann. Wie Patrick Wiencek.
Ruhige Vertreter neben dem Feld
Und wie Hendrik Pekeler. Der 27-Jährige ist auf den ersten Blick kein Kraftpaket wie Wiencek. Pekeler, 2,03 Meter groß, 101 Kilo schwer, ist eher drahtig und schnell auf den Beinen. Wie Wiencek ist aber auch er ein eher ruhiger Vertreter abseits des Feldes. Er steht dann da, die Hände in den Taschen des Trainingsanzugs vergraben, und spricht gelassen und abgeklärt. Pekeler und Wiencek sind sich in vielen Dingen ähnlich. Sie leben in Kiel, beide haben zwei Kinder – ihr Werdegang aber könnte nicht unterschiedlicher sein.
Hendrik Pekeler galt einst als größtes Talent des deutschen Handballs. Als Jugendspieler durfte er bei der ersten Mannschaft des THW Kiel mittrainieren, dem zu diesem Zeitpunkt erfolgreichsten Handballklub der Welt. Der in Itzehoe geborene Pekeler galt als ein Versprechen für die Zukunft. Doch die entwickelte sich anders als erwartet. Pekeler feierte gerne, und als er 2009 als 18-Jähriger den Abflug zu einem Champions-League-Spiel verschlief, war auch das letzte Vertrauen verspielt. „Ich war wie andere Spieler meines Alters auch. Bei mir ist es nur aufgeflogen”, blickt Pekeler im Gespräch mit dieser Zeitung zurück auf die Zeit, in der „ich den Handball nicht mehr ganz so ernst genommen habe”.
Neuanfang in der 2. Liga für Pekeler
In der darauffolgenden Saison spielte er nicht mehr mit Kiel in der Champions League, sondern mit dem Bergischen HC in der 2. Liga. Ein Neuanfang, der auch durch die zwischenzeitliche Grundausbildung in der Bundeswehr geprägt wurde. Pekeler war nun disziplinierter. Er spielte für den TBV Lemgo, wurde zweimal Meister mit den Rhein-Neckar Löwen. „Es war der richtige Weg, mal auf mich selbst gestellt zu sein, weg von den Freunden und der Familie”, sagt Pekeler.
Der Weg von Patrick Wiencek in die Nationalmannschaft war ein anderer, Wiencek war zwar groß gewachsen, aber kein großes Talent, als er in der Handballabteilung des MSV Duisburg erstmals zum Ball griff. „Ich kam in der Jugend nicht einmal in die Niederrheinauswahl, da war ich schon sehr geknickt und habe gedacht: Das wird nie was.”
Wieder in Kiel vereint
Wurde es doch. 2008 kam er zum Bundesligisten Tusem Essen. Hier entwickelte sich der blonden Hüne rasant, er wurde athletischer. 2012 landete Wiencek beim großen THW Kiel. Im vergangenen Sommer erhielt dort auch Pekeler seine zweite Chance, das Abwehrduo der Nationalmannschaft ist nun ständig vereint. „Es ist ein Vorteil, dass wir uns gut kennen”, sagt Wiencek und blickt voraus auf das letzte Vorrundenspiel an diesem Freitag gegen Serbien (18 Uhr/ARD). „Da braucht es oft keine Worte mehr, im Spiel genügen uns Zeichen zur Verständigung.