Berlin. Überraschend stößt Nikola Karabatic zum französischen Handball-Team. Seine Fußverletzung verheilte schneller. Einsatz gegen Deutschland offen.
Man konnte in den vergangenen Tagen wirklich nicht von einem großen Andrang sprechen, wenn die französischen Handballer in ihrem Teamhotel eine Pressekonferenz abgehalten haben. Kein Vergleich zu einer Fragerunde des deutschen Teams. Was kein Wunder ist, die Deutschen haben eine Heim-WM, die mitgereisten Medienvertreter aus dem Land des Titelverteidigers sind in Berlin in der Unterzahl. Als Nikola Karabatic am Sonntag vor die Mikrofone trat, hatten sich aber Journalisten diverser Nationen eingefunden. Großes Gedränge, denn schließlich ist er doch da, völlig unerwartet beim Turnier der Weltbesten: Nikola Karabatic. Der Allerbeste.
Operation im Oktober
Um das große Interesse an Nikola Karabatic dieser Tage zu verstehen, muss man die vergangenen Wochen Revue passieren lassen. Vor der Handball-WM war der 34-Jährige nämlich noch ganz weit weg. In Paris, 900 Kilometer Luftlinie entfernt von Berlin, wo die französische Nationalmannschaft derzeit ihre Vorrundenspiele bestreitet. Dort hatte er sich im Oktober wegen eines Schiefstandes der großen Zehe am linken Fuß operieren lassen, anschließend sollte er bis zu sechs Monate ausfallen. Die WM-Teilnahme hatte der Rückraumspieler von Paris St. Germain deshalb abgesagt. „Viel Glück”, wünschte Karabatic seinem Team in den sozialen Netzwerken vor dem WM-Start. „Auf geht’s Jungs!”
Während des ersten Spiels der Handball-WM gegen Brasilien (24:22) war Nikola Karabatic vor allem in den Gedanken seiner Mitspieler. „Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns, aber wir mussten ja schon früh erkennen, dass wir ohne ihn antreten müssen”, sagte Frankreichs Trainer Didier Dinart. „Wir spielen auch für Niko”, sagte Spieler Kentin Mahé.
Beim zweiten Spiel der Handball-WM am Samstag gegen Serbien war Nikola Karabatic dann plötzlich da. Der französische Handballverband hatte sein Kommen Stunden zuvor angekündigt, nun saß er im blauen Trainingsanzug auf der Tribüne und beobachtete den 32:21-Sieg. Er applaudierte, zuckte bei vergeben Chancen zusammen. Am liebsten hätte er mitgespielt. Was wohl auch passieren wird, denn zu diesem Zeitpunkt war klar: Der 1,96-Meter-Mann wird bei der WM auflaufen.
Nur wann? Heute gegen Korea (20.30 Uhr)? Morgen gegen Deutschland (20.30 Uhr/ZDF)? „Nikola wird heute mit uns trainieren, sich nach dem Training aber noch nicht der Gruppe anschließen“, sagte Trainer Dinart. „Wir werden sehen, ob er gegen Deutschland dabei ist.“ Karabatic selbst hielt sich ebenfalls zurück: „Es gibt noch keinen Plan, aber ich glaube nicht, dass ich gegen Deutschland spielen werde.“
Den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen zweifeln aber selbst die deutschen Spieler an. „Es wird interessant sein zu sehen, wieviel Verantwortung die anderen Spieler nun an Nikola abgeben werden“, sagt Uwe Gensheimer, Karabatics Mitspieler bei Paris St.Germain. „Er hat im Dezember schon in der zweiten Mannschaft von Paris mittrainiert.“ Karabatic selbst sagt: „Ich bin fit, dem Fuß geht es gut. Dabei zu sein ist bereits ein Riesensieg. Wenn ich jetzt auch noch spielen kann, wäre das der Himmel für mich.“ Karabatic spricht französisch, er spricht englisch und beantwortet die Fragen schließlich auch auf Deutsch, als er über die WM spricht. „Ich fühle mich wie ein kleiner Junge. Ich habe alle meine Träume erfüllt, aber ich bin noch nicht satt. Ich will noch mehr.“
Vereint mit Bruder Luka
Noch mehr? Karabatic, dreimal zum Welthandballer erklärt, hat die große Ära der französischen Handballer in den vergangenen 16 Jahren maßgeblich mitgestaltet. Der gebürtige Serbe holte mit der Equipe Tricolore zweimal Olympiagold, wurde viermal Welt- und dreimal Europameister. Bisher hat sich das Team auf seine Toptalente Dika Mem, Nedim Remili und Ludovic Fabregas verlassen. Und auf einen anderen Karabatic, den jüngeren Bruder Luka (30). Auf der Hierarchie-Ebene sollte das erneute Aufeinandertreffen der Brüder keine Probleme auslösen. „Ich zweifle nicht eine Sekunde an seiner Integration“, sagte Trainer Didier Dinart über Nikola Karabatic. Seinen zurückgekehrten Star.