Essen/Rostock. Handball-Bundestrainer benennt seinen erweiterten Kader für die WM. Große Überraschungen bleiben durch die Nichtberücksichtigung von Kraus aus.
Seine Stimme klang wieder frisch, als Christian Prokop am Montag in Rostock vor die Mikrofone trat. Dabei hatte der Handball-Bundestrainer am Vortag einen „Telefon-Marathon absolviert“, wie er sagte – „und das waren nicht nur freudige Nachrichten“. Denn gestern gab Prokop sein erweitertes Aufgebot für die Weltmeisterschaft 2019 bekannt. Am 10. Januar startet sein Team in Berlin gegen eine Auswahl von Nord- und Südkorea ins Turnier. Wenn es gut läuft, warten die Hauptrunde in Köln, das Halbfinale in Hamburg und das Endspiel im dänischen Herning. Doch ist der Sieger der Heim-Weltmeisterschaft von 2007 auch zwölf Jahre später Titelkandidat? Eine erste Einschätzung.
Die Ausgangslage
Die deutschen Handballer haben zwei Misserfolge hinter sich: Nach dem Europameistertitel und Olympiabronze 2016 folgten das Achtelfinal-Aus bei der WM 2017, und bei der EM im vergangenen Januar war bereits in der Hauptrunde Schluss. Die EM in Kroatien war das erste große Turnier unter Christian Prokop als Bundestrainer – und der 39-Jährige musste im Anschluss um seine Weiterbeschäftigung zittern. Taktikfehler und teaminterne Unstimmigkeiten hatten zur Enttäuschung beigetragen. Prokops zweite Chance ist nun die WM.
Die Stärken
Es gibt einige Gründe, zuversichtlich Richtung WM zu schauen. Einer davon ist die Torhüterposition. Mit Andreas Wolff und Silvio Heinevetter stehen zwei Schlussmänner bereit, die ihre Klasse oft bewiesen haben und auch abseits des Feldes als echte Typen mit klaren Meinungen gelten. Die Abwehr steht ebenfalls mit dem Zentrum Patrick Wiencek, Henrik Pekeler und Finn Lemke. Letzteren hat Prokop diesmal von Beginn an auf dem Zettel – bei der EM hatte der Bundestrainer zunächst auf den 2,10-Meter-Mann verzichtet, um ihn dann schuldbewusst nachzunominieren.
Eine weitere Stärke: die Kreisläufer. Wiencek, Pekeler und Jannik Kohlbacher zählen zu den Besten ihres Fachs. Und die Außenpositionen? Links ist Kapitän Uwe Gensheimer gesetzt, dahinter kann sich Bundesliga-Top-Torschütze Matthias Musche gute WM-Chancen ausrechnen. Erfahren und zuverlässig auf der rechten Seite: Tobias Reichmann und Patrick Groetzki.
Die Sorgenkinder
Gesucht werden ein Distanzschütze und ein Regisseur. Durch den Kreuzbandriss von Julius Kühn fehlt dem deutschen Team der Mann mit den wuchtigen Würfen von der halblinken Position. Alternative Steffen Fäth ist derzeit nicht in Topform, so wird es wohl auf Fabian Böhm ankommen, Ex-Tusem-Essen-Spieler und derzeit beim TSV Hannover-Burgdorf aktiv.
Eine weitere Wackelposition ist die des Spielmachers. Philipp Weber enttäuschte in Kroatien, Fabian Wiede und Paul Drux sind gerade aus Verletzungspausen zurückgekehrt. Prokop baut deshalb auf Routine und setzte schon in den jüngsten Testspielen auf Martin Strobel (32). Der 2016-er Europameister war länger aus dem Nationalteam verschwunden und spielt nur noch in der 2. Liga in Balingen. Die Personalie zeigt, dass Prokop nach der starren-EM-Taktik durchaus fantasievoll aufstellen kann.
Die Überraschungen
Allerdings kennt die Fantasie auch Grenzen. Michael Kraus, Weltmeister von 2007, wird nicht zurückkehren. Ein Handbruch hatte seine Chancen zuletzt schwinden lassen. Sein Weltmeister-Kollege Johannes Bitter steht im 28er-Aufgebot, seine Einsatzchancen angesichts der Torwart-Konkurrenz Wolff/Heinevetter sind allerdings gering.
Die Aussichten
Zu den Favoriten zählt Deutschland nach den jüngsten Enttäuschungen nicht. Was nicht heißt, dass Überraschungen ausgeschlossen sind. Auch 2007 wuchs das deutsche Team durch Zusammenhalt und Unterstützung des Publikums über sich hinaus.