Essen. Auch wegen der Familie Konrad sind die Essener das erfolgreichste Team Deutschlands und gewannen viele Titel. Reich wird dadurch jedoch niemand.

Jakob Husen nimmt Fahrt auf. In schnellem Tempo pflügt er in seinem Kajak nach vorne, Wasser spritzt in alle Richtungen. Im richtigen Moment erhält er den Ball, balanciert ihn noch einmal auf seinem Paddel und holt aus. Ein Gegenspieler versucht zwar noch, den kräftigen Angreifer entscheidend zu stören, doch es nützt nichts. Husens wuchtiger Wurf ist auch für den Torhüter nicht zu halten und landet oben im Tornetz, von wo aus er wieder ins Wasser plumpst. Der Mann mit der Nummer drei auf seinem Helm dreht diebisch grinsend ab. Wieder einmal war er nicht aufzuhalten.

Jakob Husen, den sie hier eigentlich alle nur „Löter“ rufen, ist einer der bekanntesten Kanupolospieler Deutschlands. Ein Star in einer Sportart, die keine Stars besitzt. Eine Sportart, die nur rund 2000 Aktive in Deutschland betreiben. Mit dem Kanusportverein Rothe Mühle Essen gewann er diverse Meisterschaften, auch mit der deutschen Nationalmannschaft war er erfolgreich. Nach dem Gewinn der World Games 2013 in Kolumbien bekam er, wie auch sein Essener Teamkollege Johan Driessen, vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck das Silberne Lorbeerblatt überreicht – die höchste nationale Auszeichnung für herausragende sportliche Leistungen.

Ohne Familie Konrad geht nichts

Gemeinsam mit seinen Mannschaftskameraden trainiert Jakob Husen für die anstehende Endrunde um die Deutsche Meisterschaft in Duisburg. Die Rothen Mühlen gelten als Favorit – wie eigentlich immer. Die reguläre Saison haben sie auf dem ersten Platz beendet. „Man kann uns schon als den FC Bayern des Kanupolos bezeichnen“, sagt Michael Konrad mit einem Augenzwinkern. „Zumindest versuchen wir, den Sport am professionellsten von allen aufzuziehen. Das war immer der Anspruch meines Vaters.“

Ohne die Familie Konrad geht nämlich so gut wie nichts beim KRM – wie es bei vielen Vereinen in Randsportarten im ganzen Land oftmals der Fall ist. Jürgen Konrad, 77 Jahre alt, leitete jahrelang die Geschicke beim Verein und fungiert heute als Ehrenvorsitzender. Nebenbei leitet er auch noch die Essener Eissporthalle an der Curtius-straße. Michael Konrad trainiert inzwischen die Bundesliga-Mannschaft der Rothen Mühlen. In seiner aktiven Zeit gewann er zehn Deutsche Meistertitel und ist bis heute der national erfolgreichste Kanupolospieler Deutschlands. Zudem war er Kapitän der Nationalmannschaft. Die konrad’sche Dynastie auf dem Wasser führt mittlerweile dessen Sohn Leon fort, der zum Kader des Bundesliga-Teams gehört.

Kanupolo hat eine gewisse Tradition

Durch einen soliden Sponsorenpool ist es den Rothen Mühlen immerhin möglich, den Spielern Reise- und Hotelkosten zu erstatten. Selbst das ist nicht bei allen Bundesligisten alltäglich. Nichtsdestotrotz: Geld verdient man natürlich keines. „Unsere Spieler trainieren das ganze Jahr über auf Profiniveau. Im Endeffekt zahlen sie aber drauf“, erzählt Michael Konrad. Und Jakob Husen ergänzt milde lächelnd: „Es lohnt sich eigentlich nicht.“ Alleine die Boote, in der Regel Spezialanfertigungen, kosten rund 2000 Euro.

Die Sportart Kanupolo blickt immerhin schon auf eine gewisse Tradition zurück. Bereits vor rund 100 Jahren fanden erste Wettkämpfe statt, nachdem es für Zuschauer nicht gerade spannend war, bei einem normalen Kanurennen die vorbeiziehenden Boote nur für kurze Zeit zu sehen. Kanusportler in England waren die Vorreiter, der Deutsche Kanu-Verband adaptierte schließlich die Idee im Jahr 1926. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Entwicklung durch technische Fortschritte richtig Fahrt auf. Das Spiel wurde schneller und auch für die Spieler attraktiver.

Eskimorolle ist für die Spieler Pflicht

„Zweikampfhärte, Spielwitz und Kraft. Darauf kommt es vor allem an“, erklärt Michael Konrad die Vorzüge seiner Sportart. Gute koordinative Fähigkeiten seien von besonderer Wichtigkeit. Deshalb sei es beispielsweise einfacher, einem Handballer das Paddeln beizubringen, als einem Kanurennfahrer den vernünftigen Umgang mit dem Ball.

In Duisburg fanden zuletzt die Deutschen Meisterschaften statt. Dabei waren auch die Junioren vom 1. Meidericher KC.
In Duisburg fanden zuletzt die Deutschen Meisterschaften statt. Dabei waren auch die Junioren vom 1. Meidericher KC. © Lars Fröhlich

Beim Kanupolo wird Fünf gegen Fünf gespielt. Als Torwart gilt derjenige Spieler, der direkt unter dem in zwei Meter Höhe hängenden Tor liegt und sein Paddel hochhält. Somit kann jeder Spieler während einer Partie die Position des Torhüters einnehmen, auch wenn jedes Team in der Regel einen spezialisierten Torwart hat. Eine Partie dauert 2 mal 10 Minuten. Wer am Ende mehr Tore erzielt hat, gewinnt. Körperkontakt gegen den ballführenden Spieler ist dabei ausdrücklich erlaubt. So kommt es schon vor, dass die Boote kentern und schnell wieder aufgerichtet werden müssen. „Bei uns kann jeder die Eskimorolle. Das wird schon in der Jugend trainiert“, erklärt Michael Konrad.

Lokalderby gegen Wanderfalken

Die Kanu-Bundesliga besteht aus zwölf Mannschaften, die an vier Spieltagen die reguläre Saison ausspielen. An einem Spieltag finden dabei stets mehrere Spiele statt. Die besten acht Mannschaften der regulären Saison qualifizieren sich schließlich für die Endrunde. Dort kam es in Duisburg gleich zum Lokalderby, denn in der ersten Play-off-Runde trafen die Rothen Mühlen auf die zweite Essener Mannschaft in der Bundesliga, die KG Wanderfalke. „Früher herrschte zwischen beiden Mannschaften durchaus eine große Rivalität. Inzwischen ist das Verhältnis aber freundschaftlich“, so Michael Konrad.

Für Freundschaftsdienste war jedoch kein Platz – mit zwei Siegen zog der KRM überlegen ins Halbfinale ein. Die Wanderfalken beendeten die Endrunde schließlich auf dem siebten Rang, die Rothen Mühlen verloren im Finale gegen die WSF Liblar und verpassten die Titelverteidigung. „Insgesamt haben wir dennoch eine starke Vorstellung gezeigt“, konnte Trainer Michael Konrad seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. Für beide Teams gab es also durchaus Grund zum Feiern. Und das können sie beim Kanupolo: „Wenn wir feiern, dann wackelt das Bootshaus“, versichert Michael Konrad.