Madrid. Ein Novum im Fußball: Spanische Erstligisten sollen schon diese Saison Liga-Spiele in Nordamerika austragen. Vorerst freiwillig.
Es ist ein Novum im Fußball. Ein Ligaspiel in einem anderen Land auszutragen: das gab es in noch keiner europäischen Spitzendivision. Und Nordamerika ist von Spanien ja nicht direkt um die Ecke. Dennoch wird ab der am Freitag beginnenden Saison und für die nächsten 15 Spielzeiten je ein Match in die USA oder nach Kanada verlegt. Eine entsprechende Übereinkunft gab die spanische Liga am Mittag bekannt.
Vermarkter bringt Spiele nach Nordamerika
Dafür gründete sie ein Joint Venture („La Liga North America“) mit der Firma Relevent des amerikanischen Football-Eigentümers Stephen Ross (Miami Dolphins). Im US-Sport ist es schon jetzt Sitte, einige Partien pro Saison im Ausland auszutragen. Wie zu vernehmen ist, sollen baldmöglichst nicht die Levantes und Getafes in Amerika aufschlagen. Sondern am besten Real Madrid und der FC Barcelona. Relevent organisiert auch die seit 2013 ausgetragene Sommer-Testspielserie „International Champions Cup“, an der in den letzten Wochen alle europäischen Topteams teilnahmen.
„Nichts wird gegen die Interessen der Betroffenen organisiert, wir werden sehen, wer einverstanden ist“, erklärte Spaniens Ligachef Javier Tebas: „Um als Industrie zu wachsen“ könne man keine Rücksicht auf die zu erwartenden Kritiken nehmen. Die ersten davon ließen nicht lange auf sich warten. Noch am selben Mittag teilte die Spielergewerkschaft AFE ihren „energischsten Protest“ mit. Spieler und Fans der betroffenen Klubs würde ohne Rücksprache dem Gewinnstreben unterworfen.
Es gibt in Spanien kaum Fans, die zu Auswärtsspielen fahren
Ob es weiteren Widerspruch gibt und wie dieser ausfallen wird, bleibt vorerst abzuwarten. Spanien ist in dieser Hinsicht mit Deutschland und seinen Debatten über „Fußballkultur“ nicht zu vergleichen. Die Ultras sind ein Randphänomen weniger hundert Anhänger pro Verein und keine jugendliche Massenbewegung. Angesichts der großen Fläche des Landes und damit der beträchtlichen Distanzen beschränkt sich die Reisegewohnheit zu Auswärtsspielen seit jeher auf minimale Grüppchen. Gleichzeitig lassen sich wegen der kleineren Einwohnerzahl die heimischen Stadien nicht so üppig füllen wie in der Bundesliga. Der Fußball wird vornehmlich in Kneipen oder zuhause über das im Verhältnis zu den Eintrittspreisen relativ günstige Pay-TV konsumiert.
Spielbetrieb in Spanien ist schon länger aufgesplittert
Kommerzialisierungsschübe wie die Zersplitterung des Spieltags auf zehn verschiedene Anstoßzeiten konnten so in den letzten Jahren ohne größeres Wehklagen durchgesetzt werden. Gerade die kleineren Vereine profitieren durch beträchtlich gestiegene TV-Gelder von diesen Maßnahmen. Rund 1,7 Milliarden Euro pro Saison nahmen Spaniens Profiklubs zuletzt vom Fernsehen ein (Deutschland: 1,15 Milliarden). Dass die Anstoßtermine dafür erst wenige Wochen vorher bekanntgegeben werden, was die Stadien weiter leert – auch das wird als geringeres Übel akzeptiert.
Wo er zuhause seine Ziele längst erreicht hat, setzt Ligachef Javier Tebas nun einen neuen Meilenstein in der Auslandsvermarktung. Der Anwalt, Ex-Politiker der neo-franquistischen Jugendorganisation „Fuerza Nueva“ und erklärte Anhänger der französischen Politikerin Le Pen erweist sich in seinem Managerjob als kompromissloser Modernisierer. Vorige Saison konnte La Liga ein Abwerbungsmanöver der italienischen Liga durch eine stattliche Gehaltserhöhung gerade noch verhindern. Gut möglich, dass dem wirtschaftlich so erfolgreichen Tebas in diesem Zuge auch volle Rückendeckung für seine neueste Vision zugesichert wurde.