Frankfurt. Der Kampfname von Tim Wiese steht fest: Der 34-Jährige in Diensten der World Wrestling Entertainment ist ab sofort “The Machine“.

Tim Wiese steigt in den Ring. Tatsächlich. In den Ring. Am Donnerstag wird der 34-Jährige in Diensten der WWE, der World Wrestling Entertainment,  in München seinen ersten Kampf bestreiten. Seit Wochen schon bedient der ehemalige Profi-Fußballtorwart die PR-Maschine, die zum Show-Spektakel Wrestling dazu gehört, spricht von einer knallharten Vorbereitung, einer gnadenlosen Vorbereitung und davon, dass er „wie ein Tornado durch den Ring fegen“ und seine „Gegner zerstören werde“.

Tim Wiese muss sich nicht großartig verstellen

Ob Wrestling tatsächlich Sport ist, darüber streiten die Gelehrten ja immer noch. Klar ist aber, dass Wiese die Regeln des Spektakels perfekt verinnerlicht hat: Klappern gehört zum Handwerk, und das – so viel steht bereits vor dem Kampf fest – betreibt der Sportler, der immerhin mit Werder Bremen mal Pokalsieger und Nationaltorhüter war, höchst professionell. Die Wrestling-„Kämpfe“, soviel sei jenen verraten, die sich noch nie spätnachts vor dem Fernsehgerät  zu Übertragungen aus den USA verirrt haben, sind sehr sorgfältig durchchoreografiert, die Rollen, Gut und Böse, Gewinner und Verlierer genau verteilt. Keine Frage, welche Rolle sich Tim Wies ausgesucht hat. „Der Bad Boy war ich schon immer“, erzählt er im Interview. „Ich werde sofort Gas geben und durch den Ring fegen.“

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Tatsächlich muss sich Tim Wiese nicht großartig verstellen. Bereits als Fußball-Profi war er das Enfant Terriblechen der Liga. Mit Vorliebe provozierte er Fans in gegnerischen Stadien, vor allem die beim Hamburger Lokalrivalen: Seit die ihn einmal wegen eines gewagten Torwart-Outfits verspotteten, trat er vor allem dort immer wieder in Rosa an. Wie Oliver Kahn fiel er immer wieder im Kontakt mit gegnerischen Stürmern auch durch Paraden am Rande der Legalität auf. Wiese wuchs an den Pfiffen.

Auch wenn es seit einigen Jahren vergleichsweise ruhig um den 1,93-Meter-Mann war: Formal hatte er noch bis zum Sommer einen Vertrag bei der TSG Hoffenheim, war also aktiver Fußballspieler. Dorthin war er 2011 in einer Karriere-Fehlentscheidung gewechselt und schnell aussortiert worden. Anders als andere Profis blieb er im Verein. Zumindest finanziell eine kluge Entscheidung.

Dennoch bleibt die Frage, was Wiese ausgerechnet zum Wrestling treibt. Vermutlich geht es ihm wie vielen anderen hochqualifizierten Arbeitnehmern, die nach ihrer Pensionierung in ein Loch der Bedeutungslosigkeit zu fallen glauben: Anders als der durchschnittliche Angestellte, der sich beim Ruhestand einem ruhebedürftigen Alter nähert, ist Wiese trotz langer Profijahre erst 34 Jahre alt, verfügt also vermutlich noch über einen beträchtlichen Energieüberschuss.

Wiese stand durch sein ungeplantes Karriere-Ende kurz vor dem Absturz

Der gebürtige Bergisch Gladbacher ist ein exaltierter Typ. Das war nicht nur in den Fußballstadien manifest, Wiese posiert bis heute gerne vor schnellen, extrem teuren Autos, pumpte seinen Körper bis kurz vor die Unkenntlichkeit auf, wog zwischenzeitlich muskelbepackte 140 Kilo: „Ich habe im Monat bis zu 1000 Euro für Fleisch ausgegeben“, sagte er dazu. Eine wohl kalkulierte Provokation. Für seine über 100.000 Facebook-Follower posiert er mit verspiegelter Sonnenbrille vor dem Colosseum in Rom, in dem einst die Gladiatoren ihre tödlichen Kämpfe ausfochten.

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Zur ganzen Wahrheit gehört, dass Wiese durch sein ungeplantes Karriere-Ende bei Hoffenheim kurz vor dem Absturz stand. Für einen Menschen, der das Scheinwerferlicht liebt, die Reibung mit eingebildeten und wirklichen Gegner braucht, muss dauerhafte Stille unerträglich sein. Insofern mögen manche den Weg Wieses belächeln, sie mit einem Gang ins Dschungelcamp vergleichen, für den Nachwuchs-Wrestler ist der Weg in den Ring vermutlich eine kluge Karriere-Entscheidung. So hat er seit dem Start der zweiten Laufbahn beispielsweise rund 20 Kilo abgenommen: „Es ging darum, den Körper zu definieren und an der Spritzigkeit zu arbeiten.“ Seit einigen Monaten betreibt er brav PR-Arbeit, vollführt er öffentlich Liegestütze nimmt brav, aber angemessen grimmig blickend reihenweise Journalisten in den Schwitzkasten und erzählt von Tryouts und Wrestling-Vorbildern.

Diese Mühen gehören dazu, wenn er die Granden der WWE, für die er ja nur ein Rookie, ein Anfänger unter vielen ist, beindrucken will. Das aber ist nötig, wenn der Sportler mehr als einen einzigen kurzen Kampf vor Publikum zeigen will.  Wiese zeigt sich da durchaus als Realist: „Zunächst möchte ich mich in Deutschland möglichst gut verkaufen und eine geile Show abliefern. Alles andere hängt auch von der Storyline ab. Das kann man noch nicht absehen“, sagte er vor einigen Wochen.

Seit Mittwoch ist er vermutlich etwas klüger. Beim letzten öffentlichen Auftritt erhielt der Ex-Fußballspieler von den Wrestling-Aufsehern, ein deutliches Indiz für die weitere Laufbahn, seinen Kampfnamen. Ab sofort ist Tim Wiese „The Machine“.