Amsterdam. Die Leichtathleten wollen sich bei der EM Selbstvertrauen für Olympia holen. Diskus-Star Robert Harting verzichtet bewusst auf den Wettkampf in Amsterdam.

Vor und im Olympiastadion in Amsterdam herrschte am Dienstag reges Treiben. Hier eine Schönheitskorrektur am Rasen, da eine letzte Prüfung, ob die Fahnen richtig hängen. Von Mittwoch bis Sonntag geht in der niederländischen Metropole die Europameisterschaft der Leichtathleten über die Bühne. Rund fünf Wochen vor den Olympischen Spielen in Rio kämpfen 1500 Sportler aus 50 Ländern in 44 Entscheidungen um die Titel. Das deutsche Team ist mit 100 Teilnehmern so groß wie seit 1998 nicht mehr. Eine EM als Mutmacher: Medaillen in Amsterdam sollen den deutschen Sportlern Selbstvertrauen für Rio geben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den Wettkämpfen.

Seit wann finden Europameisterschaften im Jahr der Olympischen Spiele statt?

2012 hat der Europäische Verband den Rhythmus von vier auf zwei Jahre umgestellt. Für den DLV war die Neuerung prompt ein großer Erfolg: 2012 in Helsinki war Deutschland mit jeweils sechs Gold- und Silbermedaillen sowie viermal Bronze Erster in der Nationenwertung.

Wer sind in Amsterdam die größten deutschen Medaillenhoffnungen?

Deutschland ist seit Jahren in den Wurfdisziplinen besonders stark. So werden die schweren Frauen und Männer auch in Amsterdam im Medaillenkampf ein Wort mitreden. Erster Gold-Kandidat ist Speerwerfer Thomas Röhler. Der Jenaer dominiert bisher die Saison. Kurz vor der EM gelang ihm mit 91,28 Metern ein Traumwurf. „Mein Rucksack ist immer schwerer geworden, aber ich werde mit dem Druck fertig“, sagte der 24-Jährige am Dienstag. Medaillenchancen haben die Titelverteidiger Christina Schwanitz und David Storl im Kugelstoßen sowie die Diskuswerferinnen Nadine Müller und Julia Fischer, Speerwerferin Christin Hussong, Hammerwerferin Betty Heidler sowie die beiden 2,07 Meter langen Diskus-Riesen Daniel Jasinski aus Wattenscheid und Christoph Harting aus Berlin.

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Haben auch deutsche Läufer Aussichten aufs Podium?

Durchaus. Die Sprintstaffeln der Frauen und Männer haben sogar das Zeug, die Goldmedaillen für Deutschland zu gewinnen. Ihre Leistungsträger, Gina Lückenkemper aus Dortmund und Julian Reus aus Wattenscheid, zählen in den Einzelstrecken zu den Favoriten; die erst 19-jährige Lückenkemper über 200 Meter, der 28-jährige Reus über 100 Meter. Eine Gold-Kandidatin ist über 3000 Meter Hindernis Gesa Felicitas Krause. Die Frankfurterin ist so gut in Form wie 2015, als sie bei der WM mit dem Gewinn der Bronzemedaille für eine Sensation sorgte und danach zur deutschen Leichtathletin des Jahres gewählt wurde.

Wer sind die Stars der EM?

Das Gesicht der EM ist die Niederländerin Dafne Schippers. Die schnellste Europäerin, die in Amsterdam nur über 100 und nicht über 200 Meter starten wird, prangt auf jedem Plakat. Das Medieninteresse richtet sich am Mittwoch aber auf Julia Stepanowa, wenn sie um 18.25 Uhr im 800-Meter-Vorlauf antritt. Die Whistleblowerin, die aus ihrem Exil in den USA kommt und mit ihren Aussagen für die Suspendierung der russischen Leichtathleten sorgte, startet unter neutraler Flagge.

Wer fehlt bei der EM?

Neben den Russen sind auch die deutschen Mehrkämpfer nicht am Start. Sie verzichten aber mit Blick auf ihre Olympia-Aussichten freiwillig auf eine weitere Höchstbelastung vor Rio. Robert Harting will nach langer Verletzungspause lieber konzentriert trainieren, um dann in Rio ein zweites Mal den Diskus zum Gold zu werfen. Absagen musste Raphael Holzdeppe. Der Stabhochspringer ist zwar nach seiner Fuß-Operation wieder fit, traut sich aber noch nicht zu, Qualifikation und Endkampf kurz hintereinander zu absolvieren. Der Saarländer hofft aber weiter auf seinen Olympia-Start.