Willingen. Für Severin Freund ist es eine Herzensangelegenheit, beim Weltcup in Willingen zu starten. In der Qualifikation liefert er eine Kampfansage.

Das ist der Moment, auf den sie alle gewartet haben. Sehnsüchtig, von einem Bein auf das andere trippelnd, weil eine feuchte Kälte von den Füßen die Beine hochzieht, die Arme bewegend, weil die Fahnen ohne Wind sonst kaum wehen. 54 Skispringer bejubelten die 7520 Zuschauer im vom Flutlicht grell ausgeleuchteten Auslauf der Mühlenkopfschanze bereits, sie feierten den Slowenen Jurij Tepes als Sieger der Qualifikation. Aber zum Party-Volk, zur lärmenden Kulisse mutiert die Masse erst, als sein Name langgezogen durch die Lautsprecher schallt: Seeeeveriiin Freeuuund!

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Als letzter Springer sitzt Deutschlands derzeit bester Skispringer oben auf dem Bakken und blickt ins Tal. Dorthin, wo plötzlich Fahnen wie wild hin und her geschwenkt werden, dorthin, wo Blitzlichter und bunte Spotlights zucken und die Menschen hüpfen. Er stößt sich ab und rast und springt bei fast perfekten Bedingungen hinein in das inbrünstigste „Ziiiiiiiiiiieeeeh“ dieses Auftakttages des Weltcups in Willingen, hinein in die Partyzone. „Ein tolles Gefühl“, sagt er.

Kampfansage an Peter Prevc

140,5 Meter! Das ist die Zahl, welche die Stimmung weiter anheizt. Es ist die weiteste Weite des Tages.

140,5 Meter – das ist Freunds Art der Kampfansage für das Wochenende an seinen ärgsten Rivalen, den Slowenen Peter Prevc.

Nicht erst seit der zurückliegenden Vierschanzentournee ist das Duell der beiden Top-Athleten das Duell dieses Skisprung-Winters. Prevc gewann die Tournee – vor Freund. Prevc liegt im Gesamtweltcup in Führung – vor Freund. In Willingen, am Rande des Sauerlandes, findet dieser Zweikampf allerdings erst am Sonntag eine direkte Fortsetzung, weil der Slowene sowohl das Training als auch die Qualifikation sausen lässt.

Nach Willingen wartet die Skiflug-WM

„Er hat die Form, er hat das Teamspringen, er wird sich gut zurecht finden“, sagt Severin Freund im Vorbeigehen. Immer wieder lacht und grinst der 27-jährige Niederbayer mit und für die Fans. Er fühlt sich wohl im Zentrum der Weltcup-Party, obwohl er persönlich nicht als Feierbiest gilt.

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Wieso der sonst so stille Freund und das aufgeheizte Willingen eine Art Liebesbeziehung hegen und pflegen, erklärt Werner Schuster. „Das ist seine Lieblingsschanze“, sagt der Bundestrainer. Hier gelang Freund mit dem Sieg im Januar 2011 der Durchbruch, die Ankunft in der Weltspitze. „Obwohl er den ersten Weltcup-Sieg bereits kurz zuvor in Sapporo gefeiert hat“, erzählt Schuster, „aber der Sieg in Willingen war der Ritterschlag.“ Zudem bietet sich die Mühlenkopfschanze bestens zur Vorbereitung auf das Skifliegen an, das Freund so reizt. Nach Willingen steht die Skiflug-WM auf dem Zeitplan der Athleten – dort sinnt Freund endgültig auf Revanche an Prevc.

Freund zieht trotz Sturz den Weltcup durch

„Für mich war es ein guter Auftakt“, sagt er nach seinem Satz auf 140,5 Meter. Und: „Ich habe den Tag gut genutzt. Wir sind ja die, die etwas aufzuholen haben.“

Was er weder hören möchte, geschweige denn selbst thematisiert: Obwohl er nach seinem Sturz in Innsbruck noch nicht beschwerdefrei ist, sieht er den Weltcup in Willingen als Pflichtprogramm und zieht gnadenlos durch. Er ist am Sonntag der Titelverteidiger, er will die deutsche Mannschaft nach einer Durststrecke am Samstag wieder zum Sieg führen. Dafür ist er Dauergast bei den Physiotherapeuten. Dafür – und für den einsamen Moment oben auf dem Bakken vor dem Sprung mitten hinein in die Partyzone.