Essen. Deutschlands bester Biathlet Simon Schempp hat den Terror von Paris verschlafen und wachte schockiert auf. Im Rennen blendet er die Emotionen aus.
Simon Schempp war in der vergangenen Saison als Vierter der Weltcup-Gesamtwertung der stärkste deutsche Biathlet. Der Staffel-Weltmeister bereitet sich derzeit in Norwegen auf den Weltcup-Auftakt am 29. November in Östersund/Schweden vor. Vorher spricht er über seine Gefühle nach dem Terror von Paris, über seine Saisonziele, über James Bond und über seine Premiere beim Biathlon auf Schalke am 28. Dezember.
Herr Schempp, wie haben die deutschen Biathleten in ihrem Trainingslager in Norwegen die Nachricht von den schrecklichen Attentaten rund um das Fußball-Länderspiel in Paris aufgenommen?
Simon Schempp: Wir können hier in Norwegen weder ARD noch ZDF empfangen und haben deshalb das Spiel gar nicht gesehen. Ich war relativ früh im Bett und als ich dann am Morgen aufgestanden bin, da habe ich von den Anschlägen gehört. Wir waren alle tief betroffen und geschockt, dass so etwas überhaupt passieren kann. Natürlich waren die Neuigkeiten aus Paris dann das Haupt-Gesprächsthema in der Nationalmannschaft.
Haben Sie selbst schon mal eine bedrohliche Situation erlebt?
Schempp: Glücklicherweise nicht, aber natürlich mache ich mir Gedanken darüber. Deutschland ist auch nicht ganz so sicher, wie wir ja jetzt leider auch durch die Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover gesehen haben. Wir Biathleten starten auch vor 20.000 bis 30.000 Zuschauern und wir können auch Eins und Eins zusammenzählen. Ich hoffe, dass ich nie in eine solche Situation komme, aber ich denke jetzt schon anders darüber nach.
Wird das Gefühl anders sein, wenn Sie demnächst bei den Weltcups in Oberhof, Ruhpolding und sogar in Frankreich in Presque Isle vor einem großen Publikum laufen?
Schempp: Ich denke schon. Wir werden vor allem in gefährdete Länder, soweit man das überhaupt einschätzen kann, mit einem anderen Gefühl reisen. Im Endeffekt ist man als Sportler machtlos. In Wettkämpfen muss man solche Emotionen ausblenden können. Ich setze auf die richtigen Sicherheitsvorkehrungen.
Sie sind gerade im Trainingslager. Können Sie zwei Wochen vor dem ersten Weltcup-Start schon einschätzen, wo Sie im Vergleich zum Vorjahr stehen?
Schempp: Vom Gefühl her bin ich wirklich gut drauf. Ich bin sehr zuversichtlich, weil ich gut trainiert habe. Natürlich lief nicht alles reibungslos ab, aber das ist bei jedem so. Der eine verletzt sich schon mal, der andere holt sich einen Infekt.
Im Sommer werden die Sieger des Winters gemacht. Das Trainingspensum ist enorm. Bestimmt ist es manchmal auch eintönig. Sind Sie jetzt schon heiß darauf, dass es endlich mit den Wettkämpfen los geht?
Schempp: Es gibt schöne und nicht so schöne Trainingstage. Bei Dauerregen ist es weniger angenehm, aber an der weitaus größten Zahl der Trainingstage, sagen wir 95 Prozent, macht es mir sehr großen Spaß. Sonst kann man unseren Sport auch gar nicht betreiben. Wenn man aufstehen würde und hätte keine Lust zum Training, dann käme nichts Gescheites dabei heraus. Je besser es bei einem läuft, desto heißer ist man auf den Wettkampf.
In der vergangenen Saison hatten Sie sehr gute Phasen und sind im Gesamt-Weltcup Vierter geworden. Bei der WM hat es zwar nicht zu einer Einzel-Medaille gereicht, aber mit der Staffel haben Sie Gold geholt. Wie sieht die Zielsetzung für die neue Saison aus?
Schempp: Ich will vor allem konstant auf hohem Niveau durch die Saison kommen und von Krankheiten verschont bleiben. Ein guter Einstieg wäre sehr wünschenswert, dann läuft es umso besser. Eine sehr gute Platzierung im Gesamt-Weltcup beweist den Leistungsstand eines Biathleten besser als die reine Leistung bei einer WM. Das ist eine Momentaufnahme. Klar, ich würde im Gesamt-Weltcup gern unter die ersten Drei kommen, aber das wollen noch ein paar andere schaffen. Und eine Medaille bei der WM wäre auch sehr schön.
Sie sind ein großer James-Bond-Fan. Wie finden Sie „Spectre”?
Schempp: Hier im hohen Norwegen bin ich noch nicht dazu gekommen.
Aber James Bond ist doch auch in Norwegen zu sehen?
Schempp: Leider nicht auf Deutsch. Der Kinobesuch steht auf meiner To-Do-Liste, wenn ich wieder daheim bin.
Man sagt, weil Sie so gern James Bond sehen, machen Sie es im Zielsprint auch gern spannend.
Schempp: Ja, das kann man so sagen, und ich habe ja auch bereits einige sehr enge Duelle auf der Zielgeraden gehabt. Mal geht es auf, mal nicht. Ich bin aber schon viel abgeklärter in diesen Situationen geworden.
Spannend könnte es auch beim Biathlon auf Schalke am 28. Dezember werden. Wie oft waren Sie schon in der Schalker Arena am Start?
Schempp: Es wird eine Premiere für mich sein. Ich bin echt gespannt. Ich habe zwar die Wettbewerbe immer im Fernsehen verfolgt. Doch live dabei zu sein, das ist Neuland für mich. Schön, dass es jetzt endlich klappen wird.
Vor 50.000 Zuschauern zu laufen und zu schießen, das gibt es auch für einen Biathleten nur selten.
Schempp: Deswegen freue ich mich auch sehr darauf. Direkt nach dem Wettkampf auf Schalke finden die Weltcups in Oberhof und Ruhpolding statt. Dort wird die Geräuschkulisse auch immens sein. Darauf kann ich mich auf Schalke also schon bestens vorbereiten. Da soll ja auch richtig die Post abgehen. Außerdem werden viele Weltklasseathleten in Gelsenkirchen an den Start gehen.
Und mit Staffel-Weltmeisterin Laura Dahlmeier haben Sie auf Schalke die ideale Partnerin.
Schempp: Das sehe ich auch so. Wir werden unser Bestes geben.
Biathlon auf Schalke
