Peking. Der Jamaikaner Usain Bolt ließ seinem US-Rivalen Justin Gatlin keine Chance über die 200 Meter und freut sich auf das WM-Duell in der Staffel.

Fünf Meter vor der Ziellinie war sich der König des Sprints, der Herrscher der Leichtathletik sicher, dass der Versuch, ihn vom Thron zu stoßen, ein weiteres Mal gescheitert war. Usain Bolt streckte beide Daumen aus und richtete sie auf seine Brust. Es war eine Geste der Überlegenheit, als wollte er sagen, seht her, ich bin es, der es hier wieder einmal allen gezeigt hat. Seine Jubel-Choreographie hat ihn die eine oder andere Hundertstelsekunde gekostet, aber das war dem Jamaikaner an diesem schwülen Donnerstagabend im Pekinger Vogelnest total egal. 19,55 Sekunden über 200 Meter: Das ist in diesem Jahr noch niemand auf der Welt gelaufen. Für Justin Gatlin war am 28. Juni in Eugene die Stoppuhr bei 19,57 Sekunden stehen geblieben, doch in Peking kam er erst nach 19,74 Sekunden ins Ziel und musste sich wie am Sonntag über 100 Meter erneut mit Silber hinter dem Jamaikaner begnügen.

“Die 200 Meter sind meine Lieblingsdisziplin”, sagte Bolt nach dem Rennen und sprach direkt den Pulk der wartenden Reporter an: “Ich habe es euch gesagt, dass ich dieses Gold hier hole. Daran gab es doch gar keine Zweifel.”

Kameramann stieß mit Usain Bolt zusammen

Und er feierte dann ausgelassen sein zehntes Gold bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Viel enthusiastischer, als er es nach dem 100-Meter-Triumph getan hatte. Bolt flirtete mit den Zuschauern, nahm mit einem freundlichen Lächeln eine Selfie-Stange, drückte auf den Auflöser und machte so weitere Fans glücklich. Eine Schrecksekunde gab es bei der Boltschen Triumphfeier, als ein Kameramann auf einem Segway mit Bolt zusammenstieß. Erst humpelte der Weltmeister, dann gab er Entwarnung (“keine Sorge, es ist nichts passiert”) und so konnte die Party weiter gehen. Es kam, was kommen musste, er schoss den imaginären Pfeil ein weiteres Mal in den Himmel und küsste die rote Tartanbahn. Als Zeichen, wie sehr er mit diesem imposanten Stadion, das von außen wie ein gewaltiges Vogelnest aussieht, verbunden ist. Hier hatte vor sieben Jahren sein Aufstieg zum erfolgreichsten und reichsten Leichtathleten begonnen. Damals war er in 19,30 Sekunden zum Gold gestürmt, ein Jahr später steigerte er den Weltrekord auf dem blauen Tartan des Berliner Olympiastadions sogar auf 19,19 Sekunden. “Wenn es über 200 Meter geht, bin ich ein ganz anderer”, erklärte Bolt. “Die Zeit hat mich heute überhaupt nicht interessiert.”

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Der 29-Jährige ist nicht nur auf der Bahn ein Könner, er versteht es auch, seine Goldsammlung zu versilbern. Und deshalb zog er sich seine neongelben Spikes mit dem blauen Streifen und der goldenen Sohle aus, zeigte so lange auf die schnellen Schuhe, bis alle Fotografen, alle Fernsehkameras auch diese Geste eingefangen hatten. Puma sagt danke -- und bei Bolt klingelt es in der Kasse. Laut dem Magazin Forbes hat er im vergangenen Jahr 23,2 Millionen Dollar verdient.

Auch wenn Bolt immer gesagt hat, er wolle gar nicht die Rolle des Guten im Kampf gegen den Bösen spielen. Der Vermarktung hat die Zuspitzung der Sprintentscheidungen auf das Duell des vermeintlich sauberen Bolt gegen den bereits zweifach des Dopings überführten Gatlin sicherlich nicht geschadet. Ein gewohnt überlegener Bolt wäre viel unspektakulärer gewesen als dieser Zweikampf, der über 100 Meter ja auch denkbar knapp ausgegangen war.

Die Bolt-Show ist noch nicht beendet. Am Samstag könnte der Jamaikaner mit der Sprintstaffel seines Landes WM-Goldmedaille Nummer elf erlaufen. Im Mai erlitt das Quartett des Inselstaates bei den World Relays eine bittere Niederlage gegen die USA. Damals hatte der von Verletzungsproblemen geplagte Bolt auf einen Start verzichten müssen. Diesmal ist er bereit für ein weiteres WM-Triple. Und dann schlug er wie ein Profiboxer noch einmal für das dritte Duell Bolt gegen Gatlin kräftig die Werbetrommel: “Bei dem Staffelsieg der USA hat Gatlin ein ganz großes Rennen gezeigt. Diesmal bin ich dabei und es sieht so aus, als ob Gatlin schon müde ist. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht gewinnen sollten.”

WM-Bilder aus Peking

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