Washington. . Wenn Mayweather und Pacquiao in den Ring steigen, geht es ihnen nicht nur um den Sieg, sondern auch darum, den US-Markt für ihren Sport zu retten.
Die Warnung kommt von einem, der die Fäuste von beiden reichlich zu spüren bekommen hat. Oscar de la Hoya, als erster Boxer WM-Gürtelinhaber in sechs verschiedenen Gewichtsklassen, spricht dem als „Kampf des Jahrhunderts“ gepriesenen Fight zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao in der Nacht zum Sonntag in Las Vegas eine Schlüssel-Rolle zu. „Das ist der wichtigste Tag in der Geschichte des Box-Sports“, sagt der Kalifornier. Seine Botschaft: Gelingt es den Stars nicht, das mit Superlativen gepflasterte Duell zu einem Leckerbissen zu machen, könnte die Ernüchterung nach dem Schluss-Gong im MGM-Grand-Casino-Hotel das Faustkampf-Gewerbe weit zurückwerfen. Worauf Spötter entgegneten: Wie weit denn noch?
Chaos bei den Weltverbänden
Mit einem Gesamt-Budget von einer halben Milliarde Dollar, mit den höchsten Eintrittspreisen am 16 800 Zuschauer Platz bietenden Ring (bis zu 350 000 Dollar), mit den höchsten Gagen aller Zeiten für maximal 36 Minuten reine Kampfzeit (180 Millionen Dollar für „Money Boy“ Mayweather, 120 Millionen für „Pacman“ Pacquiao), mit den teuersten Pay-per-View-Gebühren (90 - 100 Dollar) hat das Ereignis im Vorfeld so viele dekadente Bestmarken gesetzt, dass die triste Realität dahinter kaum mehr wahrgenommen wird.
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Boxen in Amerika hängt in den Seilen. Die Zeiten der großen Namen, die in jedem Haushalt einen Klang hatten, von Muhammad Ali über Joe Frazier bis zu George Foreman, Evander Holyfield oder Mike Tyson, sind vorbei. Die Verengung auf immer kleinere Hallen, das Ausweiten der Bezahl-Fernsehen-Strategie, Missmanagement, Skandale und Mauscheleien haben viele Anhänger der Faustsprache abgeschreckt.
Dazu kommt das Chaos zwischen den Weltverbänden, ob sie nun WBA, WBC, WBO oder IBF heißen, die in „zu vielen Gewichtsklassen mit zu vielen Weltmeistertiteln das Interesse klein filetiert haben“, wie das Fach-Magazin Bleacher schreibt.
Konsequenz: Fans und Sponsoren habe ihre Aufmerksamkeit schleichend auf die „Mixed Martial Arts“ umgelenkt. Die unter dem Siegel UFC (Ultimate Fighting Championship) firmierende Haudrauf-Mischung aus Karate, Muay Tai und Boxen legt beim Publikum rasant zu. Wenn Ronda Rousey, der weibliche Star der Szene, im Käfig ihre Gegnerinnen malträtiert, schauen im frei empfangbaren TV leicht 3,5 Millionen Menschen zu. Ungefähr die Zahl, die HBO und Showtime, die beiden Bezahl-Sender, die Mayweather und Pacquiao unter Vertrag haben, sich für heute Abend ausrechnen.
Auch Langeweile ist möglich
Sportlich verneigt sich die Fachwelt vor dem in seinen 47 Kämpfen siegreichen Mayweather. Er bewegt sich mit Eleganz und Geschmeidigkeit im Ring. Box-Ästheten rühmen seine Defensiv-Fähigkeiten. Auch wenn sie ab Runde 6 schiere Langeweile auslösen können. Menschlich wünscht dagegen selbst im patriotischen Amerika eine satte Mehrheit dem Großmaul tüchtig was auf das selbige.
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Floyd Mayweather, als übler Frauen-Verprügler berüchtigt, gilt als die Inkarnation des Größenwahns. Um sein Gebiss zu schützen, hat sich der 38-Jährige einen Mundschutz anfertigen lassen, in den der Staub von Diamanten und klein geschredderten 100-Dollar-Noten eingearbeitet ist. Sein Gegner verkörpert – klischeehaft – das Gute im Boxsport. Manny Pacquiao, 63 Kämpfe, fünf Niederlagen, Typ: Dampfwalze, wird in seiner philippinischen Heimat als Halb-Gott verehrt. Der tiefgläubige Familienvater ist dort im Nebenberuf nicht nur Parlaments-Abgeordneter, sondern als „Ein-Mann-Sozialversicherung für Tausende“ bekannt. Bei seinen Kämpfen steht das Inselreich still, die Kriminalitätsrate sinkt, weil alle vor dem Fernseher sitzen.
Wer das in Deutschland tun will, muss sich mit dem Sender Sky verbandeln. Für 30 Euro wird dann am frühen Sonntagmorgen ab 3.30 Uhr das Bild nach Las Vegas freigeschaltet. Trainer-Legende Ulli Wegner wird den Zuschauern ab circa 5 Uhr erklären, ob Oscar de la Hoyas Warnung beherzigt wurde.