Köln. Das hat es bei einer Frauen-WM noch nie gegeben: ARD und ZDF übertragen alle Spiele live, mindestens 15 HD-Kameras pro Spiel sorgen für Champions League-Niveau, die Moderatoren stehen mitten im Publikum, und es kommentiert sogar eine Frau...

Die WM-Zentrale ist ein Provisorium. Hinterm Parkplatz unter Bäumen verstecken sich die Container auf dem Gelände des Hessischen Rundfunks in Frankfurt. Dünne Wände, die Kabelschächte wie im Plattenbau auf Putz montiert, zur Toilette geht"s durch die Teeküche. Aber der Teppich ist neu, die Maler sind auch noch nicht lange raus. War auch dringend nötig, denn die Container sind ein Dauer-Provisorium. Im Einsatz seit 1974. Von hier aus begleitete die ARD damals das Team von Helmut Schön zur Weltmeisterschaft. Die Bäume waren noch viel niedriger und Deutschlands WM-Fußballerinnen noch nicht auf der Welt.

"Seitdem wurden die Räume immer für irgendwas gebraucht, und jetzt sind eben wir hier eingezogen", erzählt Ralf Scholt schmunzelnd: "Wir brauchten ja ein Zuhause, weil es kein internationales Sendezentrum gibt." Scholt ist WM-Teamchef der ARD, sein normales Leben als HR-Sportchef ist derzeit weit weg. Wenn er in sein eigentliches Büro will, muss er das Dienstrad nehmen und übers HR-Gelände fahren.

Auf Scholts Schreibtisch steht eine Drake. Ein Mikro, viele Tasten, zum Glück nicht mehr von 1974. "CoBa-Ltg" leuchtet rot über einer, "Coba-Red" über einer anderen. "So kann ich direkt mit der Redaktion in der Commerzbank-Arena sprechen", erklärt Scholt.

Zum ersten Mal in der Geschichte einer Frauenfußball-WM übertragen ARD und ZDF alle Spiele live. "Das ist ein extremer Schritt für den Frauenfußball, ein Quantensprung für die Berichterstattung", sagt Scholt. Sein Kollege Dieter Gruschwitz, Sportchef des ZDF, ergänzt: "Es wäre sehr nationalistisch gewesen, nur die deutschen Spiele zu zeigen. Das ist ein großes Ereignis in Deutschland, und dem wollen wir gerecht werden. Wir wollen den Frauenfußball in seiner eigenen Wertigkeit zeigen."

Neu ist auch: Die Moderatoren stehen nicht in einem Glasstudio unterm Stadiondach oder am Spielfeldrand, sondern auf der Tribüne mitten zwischen den Zuschauern. "Das Live-Erlebnis steht im Vordergrund", sagt Scholt. Gerade bei den Spielen ohne deutsche Beteiligung wird die übliche Vorberichterstattung mangels Bekanntheit der Spielerinnen sehr schwierig.

Die ARD bietet als Moderatoren Michael Antwerpes und Valeska Homburg sowie Claus Lufen als Reporter aus dem deutschen WM-Lager auf. Kommentieren werden Tom Bartels und Bernd Schmelzer, Expertin ist Nia Künzer. Beim ZDF berichten Katrin Müller-Hohenstein aus dem DFB-Quartier und Sven Voss aus den Stadien, ihnen stehen Silke Rottenberg und Renate Lingor als Expertinnen zur Seite. Die Spiele kommentieren Norbert Galeske und - Premiere - Claudia Neumann. Passend zum Anlass wird damit erstmals eine Frau WM-Spiele live im deutschen Fernsehen kommentieren.

Die ARD überträgt das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Kanada, Deutschland gegen Nigeria, das Spiel um Platz drei und das Finale. Das ZDF zeigt Deutschland gegen Frankreich, das deutsche Viertelfinale und beide Halbfinals.

ARD und ZDF haben angekündigt, auch in allen Sendungen und Magazinen ausführlich über die WM und vor allem aus dem deutschen Lager zu berichten. "Wir wollen auch den Nicht-Frauenfußball-Fans die Reize dieser Sportart zeigen", so ZDF-Sportchef Gruschwitz. "Denn das ist guter, attraktiver Fußball auf einem hohen Niveau. Und auch wenn der Vergleich mit 2006 nicht statthaft ist, so kann es doch wieder einen Hype geben."

Technisch wird es auf jeden Fall die bislang beste Frauen-WM. Jedes Spiel wird von mindestens 15 HD-Kameras übertragen, Eröffnungsspiel und Finale gar mit 19. (sid)