London. Doppeltes Gold beim “Sister Act'“ Nicht einmal eine halbe Stunde nach ihrer Zwillingsschwester Carmen hat auch Ramona Brussig bei den Paralympics in London die Goldmedaille im Judo gewonnen. Schon am ersten Wettkampftag holten die deutschen Athletin mehrfach Edelmetall.
Das doppelte Gold beim "Sister Act" im Judo hat am Donnerstagabend einen erfolgreichen ersten Tag bei den Paralympics in London gekrönt. Innerhalb von nicht einmal einer halben Stunde gewannen die 35 Jahre alten Zwillingsschwestern Carmen und Ramona Brussig jeweils Gold im Judo. Zuerst setzte sich Carmen in der Klasse bis 48 kg gegen Kai-Lin Lee aus Taipeh durch, dann gewann Ramona das Finale der Klasse bis 52 kg gegen Lijing Wang aus China. Ramona wird bei den Blinden geführt, die 15 Minuten ältere Carmen bei den Sehbehinderten.
"Das ist unglaublich", sagte Carmen Brussig: "Gold hat mir noch in der Sammlung gefehlt. Ich habe heute die Welt- und die Europameisterin geschlagen. Und dann gewinnt Ramona auch noch Gold." Die beiden Zwillinge teilen sich im Athletendorf ein Zimmer, stehen laut Carmen immer zusammen auf, "und wir duschen sogar zusammen". Insgesamt holte Deutschland am ersten Tag der Spiele sechs Medaillen, je zweimal Gold, Silber und Bronze.
Silber im Becker - Bronze auf dem Rad
Dabei hat Kirsten Bruhn einen goldenen Auftakt bei den Schwimmern verpasst. Die 42-Jährige aus Neumünster, Weltrekordlerin über diese Strecke, holte über 100 m Rücken in 1:25,22 Minuten Silber hinter Jacqueline Freney (1:22,84) aus Australien. "Mit Silber bin ich zufrieden, mit dem Rennen nicht. Das war ein einziger Krampf", sagte die zweimalige Paralympics-Siegerin.
Bronze im Becken holte Sebastian Iwanow aus Leverkusen, dem von Geburt an ein Schienbein fehlt, bei seinem ersten Paralympics-Start über 100 m Rücken. "Damit hätte ich nie gerechnet, aber das war ein perfektes Rennen", sagte der 27-Jährige. Damit haben die Paralympics-Schwimmer schon nach dem ersten Tag zwei Medaillen mehr auf dem Konto als die deutschen Olympia-Athleten im Aquatic Center.
"Eine tolle Frau"
Das Foto ihrer überraschenden Silbermedaille im Schießen schickte Manuela Schmermund derweil sofort um die Welt. "Da ist das Ding!", twitterte sie nach dem silbernen Auftakt für Deutschland im ersten Wettbewerb der Paralympics, und schon vor Ort hatte die 40-Jährige einen prominenten Fan gewonnen.
"Was sie geleistet hat, ist bewundernswert. Eine tolle Frau", sagte Tribünengast Sir Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) dem SID: "Als ich ihre große Freude und ihr Strahlen im Gesicht gesehen habe, hat mich das sehr gerührt."
Es war der Kampfgeist, der der querschnittsgelähmten Athletin aus Mengshausen und dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) gleich in der ersten Disziplin die erste Medaille sicherte. Tobias Graf (Freiburg) ließ im Zeitfahren über einen Kilometer kurz darauf Bronze folgen, die Medaille bekam er aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck.
Überraschende Medaille nach durchwachsener Quali
Die von einem Infekt geplagte Schmermund hatte am Mittwochabend "schweren Herzens" auf die Teilnahme an der Eröffnungsfeier verzichtet hatte, nach der Qualifikation mit dem Luftgewehr war sie nur Siebte gewesen und gerade noch so ins Finale gerutscht. Dann holte sie noch einmal alles aus ihrem Körper heraus. "Ich bin ein nervliches Wrack, aber sehr glücklich, weil ich nach der Quali keine Medaille erwartet habe", sagte die Goldmedaillen-Gewinnerin von Athen 2004: "Ich bin glücklich, die erste Medaille für Deutschland gewonnen und den Ball ins Rollen gebracht zu haben."
Auch in Peking vor vier Jahren hatte Schmermund Silber gewonnen. Insgesamt hat die Schützin, die in London noch in der Disziplin Kleinkaliber-Liegend und im Kleinkaliber-Dreistellungskampf antritt, in ihrer Karriere bereits vier Medaillen - einmal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze - bei Paralympics gewonnen.
Schindler knapp gescheitert
Auch für den nach einem Mähdrescher-Unfall linksseitig oberschenkelamputierten Graf kam die Medaille unverhofft. "Ich bin selbst total überrascht", sagte er sichtlich überwältigt: "Ich wusste, dass ich schnell sein würde. Aber dass es so schnell sein würde, damit hätte ich nicht gerechnet." Der dreimalige Paralympics-Sieger Michael Teuber (44/München) fuhr nur auf den 19. Rang. Steffen Warias (27/Reute) kam auf Platz 22.
Bronze knapp verpasst hat dagegen Denise Schindler (München) in der Bahnrad-Einerverfolgung über 3000 m. Nach Rang drei in der Quali, einem der ihrer Meinung nach 'besten Rennen meines Lebens' musste sie sich im kleinen Finale Allison Jones (USA) geschlagen geben. Die 26 Jahre alte Schindler ist erst vor fünf Jahren zum Radsport gekommen, hat inzwischen bereits zweimal mit einem Mountainbike die Alpen überquert und im Vorjahr WM-Gold im Straßenrennen sowie den Gesamt-Weltcup gewonnen.
Ebenfalls bereits im Einsatz war die älteste Athletin der Spiele. Als Konkurrentin von Schmermund belegte die 70-jährige Australierin Elizabeth Kosmala Rang acht und war danach enttäuscht. "Wenn du im Finale bist, dann willst du eine Medaille", sagte sie. Neun Mal Gold hat sie schon - das letzte aus Seoul im Jahre 1988. (sid)