Sotschi. Einen Tag vor der Eröffnung sorgte Verena Bentele für die erste große Schlagzeile der Winter-Paralympics in Sotschi. Die Behinderten-Beauftragte der Bundesregierung sagte ihre Reise ab. Angesichts der Krim-Krise war der Start der Ukraine am Donnerstag ungewiss.

Die Winter-Paralympics in Sotschi werden zunehmend zum Politikum und sorgen für Verwirrung auf Regierungsebene. Während die deutsche Mannschaft um Fahnenträgerin Andrea Rothfuss fleißig trainierte, sagte die zwölfmalige Paralympics-Siegerin Verena Bentele am Donnerstag ihren lange geplanten Russland-Trip ab. Angesichts des schwelenden Krim-Konflikts warf die Bundesregierung die Reisepläne ihrer Behindertenbeauftragten aus politischen Gründen um. Auf einen geschlossenen Boykott konnten sich die Ministerien einen Tag vor dem Startschuss der Weltspiele für Behindertensportler allerdings nicht verständigen. Bis zur Eröffnungsfeier an diesem Freitag steht auch noch ein möglicher Startverzicht des ukrainischen Teams im Raum.

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"Ich habe keine Angst davor. Aber wenn sie es tun würden, wäre ich erneut enttäuscht", sagte der Chef des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), Philip Craven, in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Er berichtete, dass er "zurzeit überhaupt keinen Einfluss" darauf habe. DOSB-Chef Alfons Hörmann fühlt angesichts des ungelösten Konflikts mit den Ukrainern. "Die Mannschaft hat klar signalisiert, dass die Dinge alles andere als akzeptabel sind und nur schwer mit der olympischen Charta vereinbar", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes bei der Eröffnung des Deutschen Hauses. "Die Gefühlslage der Ukrainer ist natürlich eine andere als bei anderen Nationen", urteilte Hörmann.

Begrüßung der Ukrainer im paralympischen Dorf fiel kühl aus

Rund 450 Kilometer Luftlinie von der Schwarzmeer-Halbinsel sollen ungeachtet der politischen Krise zwischen Russland und der Ukraine an diesem Freitag die Paralympics starten. Bentele wird auch am Samstag bei einer Zeremonie fehlen, bei der das IPC ihre Aufnahme in die paralympische Hall of Fame feiern wollte. Sie bezeichnete ihren nicht ganz freiwilligen Sotschi-Verzicht als "klares politisches Zeichen an Russland", wie sie im ZDF-"Morgenmagazin" sagte. "Es gab den Beschluss, dass kein deutsches Regierungsmitglied, kein deutscher Beamter, keine Beauftragte hinfliegt."

Die Begrüßung der Ukrainer im paralympischen Dorf fiel am Nachmittag kühl aus. "Man merkte, dass die Mannschaft anders in ihrer Motivation ist als andere", sagte Karl Quade, der deutsche Chef de Mission. Die Athleten sangen laut ihre Nationalhymne mit, das russische Militär salutierte pikanterweise vor der ukrainischen Flagge. "Bemerkenswert in dieser Situation", sagte Quade. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin war tagsüber im Mountain Village - allerdings nicht, als die Ukrainer willkommen geheißen wurden.

Das deutsche Team bei der Ankunft im paralympischen Dorf.
Das deutsche Team bei der Ankunft im paralympischen Dorf. © Michael Brehme / dpa

Hintergrund der Bentele-Absage ist eine Empfehlung des Auswärtigen Amtes. "Wir empfehlen, vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lage nicht mit einer hochrangigen politischen Delegation zu den Paralympischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren, weil dies in der jetzigen Situation kein richtiges Signal wäre", sagte eine Sprecherin. Ob dies im Verlauf der Spiele noch einmal überdacht werde, sei derzeit nicht abzusehen. Neben Bentele hatte auch die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Sozialministerium, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD), geplant, nach Russland zu reisen. Sie sagte ihre Teilnahme ebenfalls ab.

Das Innenministerium hat noch nicht über eine Absage entschieden. "Wir werden die weitere Entwicklung abwarten", sagte eine Sprecherin. Geplant ist bislang, dass der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU) Ende der kommenden Woche zu den Spielen nach Russland reist. Erst unmittelbar vor dem Reisetermin am 14. März werde in Abstimmung mit dem Außenamt abschließend über den Besuch entschieden. Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), berichtete, dass Schröders Besuch für die letzten Tage der bis 16. März dauernden Paralympics geplant war.

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Der langjährige Bundestagsabgeordnete zeigte Verständnis für den Entschluss der Bundesregierung. "Das ist eine eindeutige Message an Russland", sagte der 67-Jährige der dpa. "Das war eine politische Entscheidung, die auch meine persönliche Zustimmung findet." Der SPD-Politiker wandte sich angesichts der Krim-Krise zwischen Russland und der Ukraine direkt an Russlands Präsidenten Putin: "Ich hoffe, dass Herr Putin diese Botschaft versteht, dass er sich daran hält, keine kriegerischen Handlungen zu beginnen."

Ein Besuch Putins bei der Eröffnungsfeier wird erwartet

IPC-Chef Craven reagierte enttäuscht auf die Nachricht von Benteles Rückzieher. "Die Regierung versucht, diese Spiele zu überschatten", sagte der Brite. "Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich zunächst dran erinnert hätte, dass sie eine Athletin ist. Sie ist in dieser Position, weil sie eine hervorragende Athletin gewesen ist und eine so wunderbare Person ist." Er betonte eine strikte Trennung von Sport und Politik. "Ich denke, dass wir selbst bei solchen Entscheidungen weiterhin zwischen Politik und Sport differenzieren müssen", sagte er angesprochen auf die Ankündigung einiger Nationen, keine Regierungsvertreter zu entsenden.

Während die Bundesregierung bei der Eröffnungsfeier ebenso wenig vertreten sein wird wie Politiker vieler anderer Staaten, wird ein Besuch Putins erwartet. "Wladimir Putin wird hier sein bei der Eröffnungsfeier", sagte Craven. Die 13-köpfige deutsche Mannschaft wird von der alpinen Skirennfahrerin Andrea Rothfuss ins Stadion Fischt geführt werden. "Cool. Das ist eine riesige Ehre, als Erste der Mannschaft ins Stadion einzulaufen", sagte die 24-Jährige. (dpa)