Krasnaja Poljana. Es begann mit einer Schneeflocke, die sich nicht öffnete. Kurz vor dem Ende bleibt eine durchwachsene Bilanz der Olympischen Winterspiele von Sotschi. Eine Auswahl von Momenten und Menschen, die in Erinnerung bleiben.
TOPS:
Hackl-Kufen:Das bayerische Gute-Laune-Quartett präsentierte Dominanz an der Grenze zur Eintönigkeit. Mit überlegenen Schlitten von Chef- Tüftler Georg Hackl in den selektiven Eiskanal geschickt, räumten Felix Loch, Natalie Geisenberger und die Doppelsitzer Tobias Wendl und Tobias Arlt alle vier möglichen Goldmedaillen ab.
Belarus:Zuvor gab es ein Winter-Gold - nun stellt Weißrussland sogar die bisher erfolgreichste Sotschi-Athletin. Neben der dreimaligen Biathlon-Olympiasiegerin Darja Domratschewa gab es zwei Erfolge beim Sprung. Die düstere Seite der Medaille: Diktator Lukaschenko nutzt die Triumphe aus Expertensicht für eine "kolossale Propagandashow".
Oranje-Haus: Okay, sie hatten auch viel zu feiern. Eigentlich gewannen ja fast nur Niederländer Eisschnelllauf-Medaillen. Daher war die Stimmung im vollen Oranje-Haus immer bestens - eine wohltuende Ausnahme in olympischer Retortenatmosphäre. Und nebenher gab's auch kernige Oranje-Funktionärs-Sätze zu politischen Missständen.
Familienbande: Es war auch das Olympia des Verwandtschaftsjubels. Die kanadischen Schwestern Dufour-Lapointe holten Gold und Silber auf der Buckelpiste, der in den USA gebürtige russische Raceboarder Vic Wild wurde Minuten nach dem Bronzegewinn von Ehefrau Aljona Sawarsina Olympiasieger. Phil und Amanda Kessel glänzten für die US-Puckjäger.
Fell asleep last night with Rosa :) Thanks for the pic @robindmacdonald! pic.twitter.com/4s6kDRJXxT— Gus Kenworthy (@guskenworthy) February 19, 2014
Frühlingswetter: Ein kleiner Strandspaziergang zwischen den Wettkämpfen, ohne Daunenjacke auf der Tribüne in den Bergen. Bei Temperaturen von bis zu 17 Grad und Sonnenschein präsentierte sich Sotschi für viele Zuschauer vor allem in der ersten Woche als kleine Sommeroase. Da konnte auch später ein wenig Regen nicht mehr stören.
Wiederholungstäter: Nicht nur Alpin-Queen Maria Höfl-Riesch lächelte als bekanntes Gesicht vom Siegerpodest. Biathlet Ole Einar Björndalen krönte sich zum erfolgreichsten Olympia-Athleten der Geschichte, Rodel-Gott Felix Loch durfte erneut jubeln. Kanadas Freestyle-Artist Alex Bilodeau feierte wie in Vancouver mit seinem behinderten Bruder.
Herz für Hunde: US-Slopestyler Gus Kenworthy brauchte ein Bild, um die Sympathie der Internet-Gemeinschaft zu gewinnen. Vier herrenlose Hundewelpen hielt er im Arm und sorgte mit seiner Ankündigung, sie adoptieren zu wollen, für Aufsehen. Mit Nachahmereffekt: Auch Eishockey-Profi David Backes bemüht sich um ein Heim für Streuner.
FLOPS: Kaum Olympia-Feeling in Sotschi und Herbstwetter
Trauerflorverbot: Olympia ist trauerfreie Zone - zumindest für das IOC. Weder Ukraines Athleten wegen der Unruhen in der Heimat noch Norwegens Langlaufteam nach dem Tod des Bruders von Astrid Jacobsen durften mit einer Armbinde gedenken. Auch den Ski-Freestylern wurde das Erinnern an die verunglückte Sarah Burke verboten.
Herbstwetter: "Pampe mit Wasserauflage" in der Langlaufloipe, Nebelsuppe beim Biathlon und alpiner "Schwimmwettbewerb". Bei Temperaturen von bis zu 17 Grad und Sonnenschein präsentierte sich Sotschi für viele Athleten als triste Winterwelt. Da konnte auch zwischenzeitlich ein wenig Schnee nicht mehr helfen.
Heute gibt es in Krasnaja Poljana den Massenstart. Oder wie es hier heißt: Nassenstart. #Regen #Sochi2014 #biathlon pic.twitter.com/WAXCmF19vf— Christian Gödecke (@goedcorner) February 18, 2014
Flair: Eine Schneeflocke, die sich bei der Eröffnung nicht öffnet - kann passieren. Organisationschaos bei Hotels - schon eher peinlich. Aber vor allem bleibt von den Sotschi-Spielen das Bild eines relativ sterilen Hochsicherheitstrakts in Beton. Echtes Olympia-Feeling wollte nur selten aufkommen.
Sbornaja: Der Motorschaden der roten Maschine zerstörte die Olympia-Stimmung für viele Russen. Mit dem Viertelfinal-Aus im Eishockeyturnier verfehlte der Gastgeber das für ihn wichtigste Olympia-Gold. Ein Staatsakt, auch danach: "Bittere Konsequenzen" kündigte Sportminister Mutko an.
Nicht-Hackl-Kufen: Die Bob-Teams fühlten sich wie im "Trabi" (Kevin Kuske), auch das Material der Skeletonis war nicht konkurrenzfähig. Die Deutsche Eisschnelllauf-(Streit)Gemeinschaft vermittelte einen verheerenden Eindruck, im Shorttrack gab es nichts zu holen. Robin Szolkowy/Aljona Sawtschenko verfehlten das angestrebte Paar-Gold.
Pluschenko: War es purer Egoismus, Pech oder der Befehl von oben? Die Aufgabe von Russlands Eiskunstlauf-Heroen vor dem Herren-Programm spaltete auch die Gastgeber-Nation. Der Rücken ließ einen Start nicht zu, aber war das nach der Bandscheiben-OP nicht vorher absehbar? Alle gingen das Risiko ein, so stand Russland ohne Herren-Starter da.
Unpolitische Spiele:Sport und Politik sind lange nicht mehr zu trennen, auch wenn viele Funktionäre das so sehen wollen. Viele Sportler hielten sich aber daran und sich mit politischen Meinungsäußerungen zurück. Meinungsfreiheit, Anti-Homosexuellen-Gesetz? Von Athleten kam dazu (zu) wenig.
Deutsche im Extreme Park: Wenn Kanada oder die USA zur großen Flugshow ansetzten, stand das deutsche Team meist staunend daneben. Ski-Freestyle bleibt Entwicklungssport in Deutschland, auch im Snowboard gab es wie schon in Vancouver nichts zu holen. Letzte Chance: Der Parallel-Slalom der Raceboarder am Samstag. (dpa)