Krasnaja Poljana. Matthias Mayer ist etwas überraschend Abfahrts-Olympiasieger. Der österreichische Skirennfahrer gewann die alpine Königsdisziplin bei den Winterspielen von Sotschi vor dem Italiener Christof Innerhofer und dem Norweger Kjetil Jansrud.

Mit einem kräftigen Satz sprang der 23-Jährige auf das Siegerpodest, atmete tief durch und genoss mit geschlossenen Augen ergriffen seinen goldenen Moment. Ein paar Meter vom Abfahrer entfernt war am Sonntag das rot-weiß-rote Gruppenknuddeln längst in vollem Gange. Mama Mayer schluchzte tief gerührt in den Armen von Cheftrainer Mathias Berthold. Der Coach knüpfte nahtlos an seine goldenen Spiele von Vancouver an. Damals hatte er als Chef von Maria Höfl-Riesch und Viktoria Rebensburg drei Olympiasiege mitgefeiert.

Ergriffen und die Augen hinter der Sonnenbrille verborgen blickte Berthold zur Ehrung Mayers. Nach den medaillenlosen Winterspielen vor vier Jahren schlugen Österreichs Skirennfahrer in Sotschi gleich zum Auftakt zu. Und dass durch einen Mann, der in zuvor 24 Weltcup-Abfahrten noch nie auf dem Podest stand. "Ich habe nur davon geträumt und jetzt ist der Traum in Erfüllung gegangen", erklärte der Sohn vom Helmut Mayer, dem Super-G-Olympiazweiten 1988. "Mein Vater hat mich zum Skifahren gebracht. Aber mir ist wichtig, dass die Leute merken, dass ich das für mich mache." Silber ging an Christof Innerhofer aus Italien, Bronze holte der Norweger Kjetil Jansrud.

Abfahrts-Gold für Österreich bei Olympia - gefühlt ist das wie der WM-Titel im Fußball für Deutschland. 17 Mal war das Team zuletzt bei Großereignissen in Speed-Wettbewerben sieglos geblieben. "Für Österreichs Skiteam ist das gewaltig", erklärte Berthold. "Matthias wird wohl ein paar Tage brauchen, um zu kapieren, was er gemacht hat." Der 48-Jährige hatte Mayer auf der "sehr, sehr anspruchsvollen Abfahrt" über 3,5 Kilometer schon vorher auf der Rechnung. Wie auch Miller und Svindal.

Nur ein paar Schritte voneinander entfernt erklärten die beiden Topfavoriten ihr Scheitern. "Es ist hart, weil es so aussah, dass ich auf einem guten Weg zum Sieg war", gestand Extremlagenfahrer Miller mit unbewegter Miene. "Aber man hätte zaubern müssen, um zu gewinnen." Nach seiner Fahrt mit einem Fehler im Mittelteil sank der Amerikaner enttäuscht vor der rötlichen Bande in den Schnee und wirkte danach ziemlich verloren im Zielraum. Die Stimmung beim Hundertstelkrimi vor den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach war kurzzeitig dahin. Erst eine Blaskapelle durchbrach die Stille.

"Die Jungs sind jetzt ein bisschen zornig und werden dafür im Super-G voll angreifen", prophezeite Berthold. Auch da wird es, wie in der Abfahrt, keinen deutschen Starter geben. In der Super-Kombination der Damen hingegen will Maria Höfl-Riesch am Montag ihren Olympiasieg von Vancouver wiederholen.

Svindal schaltete sofort auf Super-G-Modus um. Smart beantworte der Norweger alle Fragen zum Wie und Warum und schaute auf die nächsten Entscheidungen voraus. "Ich habe noch ein paar Chancen mehr", erklärte der Weltmeister. "Leider bin ich nicht so gestartet, wie ich wollte. Aber das ist Skirennfahren."

Mayers Ski-Welt ist nach den 2:06,23 Minuten vom Sonntag jedenfalls eine andere. "Jetzt habe ich einen Abfahrts-Olympiasieger daheim, was soll ich mit dem machen", sagte die fassungslose Mutter. Der Filius begriff erst rund eine Stunde nach seiner furiosen Fahrt, was er geleistet hatte. "Im Großen und Ganzen habe ich es das erste Mal so richtig gecheckt bei der Siegerehrung, als sie mich aufgerufen haben als Olympiasieger", gestand er. Zur Pressekonferenz erschien der zweimalige Weltcup-Podestfahrer der mit der Flagge Österreichs um die Schultern. "Wahnsinn, das ist das Größte was man in meiner Sportart erreichen kann."

Mayer ist schon der siebte Abfahrts-Olympiasieger aus Österreich. Davor gelang dies Toni Sailer (1956), Egon Zimmermann (1964), Franz Klammer (1976), Leonhard Stock (1980), Patrick Ortlieb (1992) und zuletzt Fritz Strobl (2002). "Es ist voll geil, es taugt mir für Matthias. Österreich hat wieder eine Goldmedaille in der Abfahrt", schwärmte Teamkollege Max Franz.

Alles lief für Olympiasieger Mayer auch am Sonntag nicht glatt. Gerade hatten er, Innerhofer und Jansrud das Podest im Zielraum verlassen, da mussten sie wieder zurück. Noch einmal rauf aufs Stockerl, um sich den Fotografen ein weiteres Mal zu stellen. Mayer & Co. dürfte es nicht gestört haben. (dpa)