München. Die Bürger haben die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele per Votum abgelehnt. Die ersten Unterlagen und Akten werden bereits entsorgt. Jetzt werden die Gründe für das Aus aufgearbeitet.

Am Tag danach konnte der Korrespondent aus Norwegen seine Unterlagen weitgehend entsorgen. Geblieben war ihm von Münchens geplanter Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 ja nur das klare "nei", das viermalige Nein der Bürger. In der bayerischen Landeshauptstadt, Garmisch-Partenkirchen sowie den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land hatte sich die Mehrheit der Wähler jeweils gegen einen neuen Anlauf nach der erfolglosen Bewerbung um 2018 entschieden, der fünften gescheiterten aus Deutschland insgesamt.

Statt über die Pläne und Chancen des wohl größten Konkurrenten seiner Heimat, der Hauptstadt Oslo, zu berichten, blieb dem Reporter nur jene Botschaft, die vor allen an das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Schweizer Lausanne adressiert war: München will sich dem Diktat des IOC nicht unterwerfen.

Die umstrittenen Verträge

So jedenfalls werteten das Votum Befürworter und Gegner des abgeschmetterten Projekts 2022 gleichermaßen. Und in der ersten Aufarbeitung wurde deutlich, dass beide Lager nun das IOC gefordert sehen. Ein "Signal für demokratischere Strukturen im Sport", erkannte in der Wahl Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag und einer der Köpfe des Bündnisses "NOlympia". "Die Akzeptanz der Bedingungen schwindet dahin. Diese Entscheidung ist eine Frage an das IOC: Was will man tun?", sagte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), einer der Befürworter.

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Gemeint waren damit die umstrittenen Verträge, auf die sich ein Ausrichter einlassen muss. Ude hatte diese bereits im Zuge der Bewerbung um 2018 als "Zumutung" bezeichnet. Sein Parteifreund, der Münchner SPD-Vorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann, wünscht sich auch aus den Disziplinen mehr Druck auf die Dachorganisation. "Von dieser Niederlage muss ein Signal an die Sportverbände gehen, die dem IOC klarmachen müssen, dass man so nicht mit seinen Bewerbern umgehen kann", sagte er.

Rückzug traditioneller Länder "gefährliche Entwicklung"

Bei Josef Fendt, Präsident des Internationalen Rennrodelverbandes (FIL), der wie Ude eine Münchner Bewerbung befürwortet hatte, scheint dieser Wille durchaus vorhanden zu sein. Er sieht die Herren der Ringe in der Pflicht, die Vergabepraxis zu reformieren, schon aus Eigeninteresse. "Für die olympische Bewegung ist es bedenklich. Wenn sich solche traditionellen Länder wie die Schweiz oder Deutschland als Ausrichter zurückziehen, ist dies eine gefährliche Entwicklung", sagte Fendt. Zuvor hatte sich schon das Schweizer Kanton Graubünden gegen eine Bewerbung ausgesprochen.

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In die Aufarbeitung der eindeutigen Bürgerentscheide mischte sich die Suche nach einer Perspektive für den deutschen Sport. Man müsse sich nun "neu sortieren", sagte der Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV) und designierte Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann. Er wertete das Votum als "Rückschlag" für die Basisarbeit im Breitensport, deutete aber an, dass eine Bewerbung um Olympische Spiele nicht per se vom Tisch sei, sondern vorerst nur um die Winterausgabe. Die Frage, ob eine Kandidatur für den Sommer in Frage komme, "haben wir in Ruhe zu beantworten", sagte Hörmann vorsichtig. Allerdings müsse man überlegen, "ob es uns mit Sommerbewerbungen nicht ähnlich ergeht". Er sprach vom Eindruck einer "Fundamentalopposition gegen den deutschen Sport". Dem widersprachen die Bewerbungsgegner entschieden.

Strategische Planspiele

Der Wille zu einer Sommerbewerbung war dennoch aus Politik und Sport vernehmbar. Der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) deutete diesen bereits an. Die strategischen Planspiele sind eröffnet. Nach 2016 in Rio de Janeiro und Tokio 2020 könnte 2024 erwogen werden, erscheint aber sportpolitisch ungünstig. Südafrika, die USA und die muslimische Welt sollen bereits einen Vorstoß planen.

Und auch bei einer Bewerbung um 2028 oder gar 2032 könnte Deutschland indirekt einem Problem begegnen, das schon jetzt das größte war. Selbst wenn es Reformen und danach mehr Bürgerunterstützung geben sollte, stünde bei allen drei Vergaben voraussichtlich noch der deutsche IOC-Präsident Bach an der Spitze des Ringe-Zirkels. Zu viel deutschen Einfluss wünscht man sich beim IOC gerade nicht.