London. Maik Baier und Luis Brethauer sollen bei Olympia 2012 um Medaillen kämpfen. Das ist ihr Auftrag aus Deutschland. Sie sollen mit ihren spektakulären Rennen aber auch den Bogen spannen zwischen den teils angestaubten olympischen und den jungen, trendigen Sportarten.

Klare Vorstellungen geistern vor dem ersten Aufeinandertreffen durch den Kopf. Ein Exot ist Luis Brethauer also, und Exoten, das sind doch diese Jungs mit den verrückten Haarschnitten, mit Piercings oder Tätowierungen an Armen, Beinen oder sogar im Gesicht. Der Handballer Stefan Kretzschmar beispielsweise gilt als Exot.

Dann erscheint Luis Brethauer. Fast schüchtern betritt er das Podium im deutschen Haus, auf dem die Säbelfechter bereits Auskunft über den Gewinn ihrer Bronzemedaille am Vorabend geben. Als Thomas de Maiziere, Deutschlands Verteidigungsminister, aufsteht, um Brethauer zu begrüßen, sieht es im Scheinwerferlicht fast so aus, als verbeuge sich der 19-Jährige leicht vor seinem Dienstherren.

Warum, bitte schön, gilt dieser junge Mann in der deutschen Olympiamannschaft als Exot? Die Föhn-Frisur a la Bayern-Fußballer Toni Kroos kann den Ruf nicht begründen. Und offensichtlich ziert auch kein Körperschmuck oder irgendeine Bemalung Brethauers Haut. Als Kleidung dient ihm der offizielle Trainingsanzug. Augenscheinlich ist er ein Typ wie jeder andere, schlicht einer von knapp 400 deutschen Olympioniken.

Zum zweiten Mal nach Peking 2008 olympisch

Es ist die Sportart, die den Betzinger zum Exoten abstempelt: BMX-Rennsport. Zum zweiten Mal nach Peking 2008 olympisch, zum ersten Mal mit deutscher Beteiligung. Brethauer und Maik Baier sollen in London um Medaillen kämpfen, natürlich. Das ist ihr Auftrag aus Deutschland.

Sie sollen mit ihren spektakulären Rennen aber auch den Bogen spannen zwischen den teils angestaubten olympischen und den jungen, trendigen Sportarten, mit denen sich die Bewegung im Zeichen der fünf Ringe attraktiv halten will. Das ist der Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees, welches 2016 in Rio de Janeiro außerdem das „normale“ RS:X-Surfen durch die Variante Kite-Surfen ersetzt. Noch extremer webt das IOC solch’ moderne Disziplinen allerdings im Winter in das olympische Programm ein.

Ende der 1980er Jahre erlebt Deutschland seinen ersten BMX-Boom. Verwegene, mutige Typen sind das damals, diese BMX-Fahrer, die auf ihren kleinen Rädern waghalsige Figuren tanzen oder auf den wie Pilze aus dem Boden sprießenden Geländestrecken halsbrecherisch neue Bestzeiten jagen.

Bretheuer entdeckte Leidenschaft in Schweden

Luis Brethauer kennt all das nur aus Erzählungen, schließlich wird er erst 1992 geboren. Seine Leidenschaft für die kleinen BMX-Räder entdeckt er im Jahr 2000 während eines Familienurlaubs in Schweden. „Ich bin stundenlang über eine Hügel-Bahn gegurkt und habe damit wohl die Liebe meines Lebens kennen gelernt“, sagt er nun.

Diese Liebe seines Lebens ähnelt dem immer bekannter werdenden Ski-Cross. In den vier Viertelfinals liefern sich jeweils acht Fahrer auf ihren höchst professionell gebauten Bikes tollkühne Rennen. Ellenbogen-Einsatz, gewagte Sprünge und staubige Stürze inklusive. Auf rund 60 km/h beschleunigen Brethauer und Co. ihre Räder, gut 40 Sekunden dauern die Rennen. „Dieser Sport ist meine absolute Leidenschaft“, sagt Brethauer, seit kurzem Sportsoldat.

Ob er oder Maik Baier ab Mittwoch tatsächlich um Medaillen kämpfen, ist schwierig zu prognostizieren. In anderen Ländern ist die BMX-Szene ausgeprägter. „Aber wenn unsere Sportart durch uns in Deutschland noch bekannter wird, wäre das schon ein großer Erfolg“, sagt Brethauer. Außerdem mache es ihn stolz, neben Baier der erste BMX-Fahrer bei den Olympischen Spielen zu sein. Der Exot - ist eher ein Pionier.