London. . Dirk Schrade will Montag, wenn die Geländeprüfung der Vielseitigkeitsreiter im Greenwich Park absolviert wird, nichts dem Zufall überlassen. Die Aussichten für die deutsche Mannschaft sind plötzlich brillant.

Er würde es vermutlich nie zugeben. Nervosität, weil es die Olympischen Spiele sind? Nein, nein. „Ich gehe den Kurs eben öfter ab als bei normalen Turnieren“, sagt Dirk Schrade gelassen und verschwindet wieder „im Busch“, wie sich die Vielseitigkeitsreiter ausdrücken. Schließlich will der Sprockhöveler nichts dem Zufall überlassen, wenn am Montag die Geländeprüfung im Greenwich Park absolviert wird.

Trotzdem dürfte sich das Kribbeln nach der Dressur intensiviert haben, dürften dem 34-Jährigen doch andere Gedanken durch den Kopf schießen als noch vor wenigen Tagen. Denn Schrade tänzelte sich auf King Artus zu Platz sechs (39.80 Strafpunkte). Besser war beim überraschenden Sieg des Japaners Yoshiaki Oiwa (38.10) aus deutscher Sicht lediglich Ingrid Klimke auf Abraxxas, die Vierte wurde (39.30).

Vom Mitläufer zum Medaillenkandidaten – so etwas will Schrade allerdings nicht hören. Obwohl die Aussichten plötzlich brillant sind, weil nämlich nicht nur der deutsche Top-Reiter Michael Jung mit Sam (11./40.60) patzte, sondern auch Favoriten wie der Brite William Fox-Pitt (17./44.10). Und von Bundestrainer Hans Melzer heimste Schrade ebenfalls ein Lob ein. „Dirk hat eine ganz tolle Leistung gezeigt. Das war sein bestes Ergebnis bei einem Vier-Sterne-Turnier – so etwas bei Olympia, das ist einfach klasse.“

Allerdings waren auch Melzer keine euphorischen Äußerungen in Richtung einer Medaille zu entlocken. Selbst die Mannschaftswertung, in der Deutschland vor Australien und Großbritannien auf Goldkurs liegt, beeindruckte ihn kaum. „Jetzt reden wir von vier bis fünf Punkten Vorsprung“, erklärte er, „am Ende werden es 20 bis 30 sein.“ Und dann grinste Melzer doch, lehnte sich etwas zurück und erzählte: „Ich habe doch schon vorher gesagt: Freunde, das wird eng hier.“

Anspruchsvolles Gelände im Greenwich Park

Das anspruchsvolle Gelände könnte seinen Teil dazu beitragen, dass die Platzierungen vor dem abschließenden Springen am Dienstag wieder durcheinander purzeln. Enge Kurven, tief hängende Äste, tückisch stehende Sprünge warten auf Reiter und Pferde. „Es wird viel Gefühl gefragt sein, in der Zeit und fehlerfrei zu bleiben, wenn es überhaupt klappt“, sagte Melzer. Spezielle Stollen an den Hufeisen der Pferde nutzen die Deutschen als Geheimwaffe.

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Ob Dirk Schrade solch’ legale Trick nötig hat? Immerhin meisterte er bereits die komplizierte Atmosphäre im von steilen Tribünen eingerahmten Dressurstadion vor fast 20000 Zuschauern bravourös, obwohl King Artus als sensibles Pferd gilt. „Es ist super laut, es kommt einem vor, als ob jemand von hinten drückt“, sagte Ingrid Klimke nach ihrem Ritt. „Wir hatten nur einen kleinen Fehler zu Beginn“, erzählt der Sprockhöveler, „aber das war meiner.“ Vielleicht zieht es ihn auch deshalb schnell wieder ins Gelände, weil er dort ohne Patzer bleiben möchte. King Artus traut er ohnehin kaum einen zu: „Meinem Pferd liegt jeder Kurs“, sagt Schrade selbstbewusst. Und frech.

Da passt es doch, dass einer der ersten Gratulanten nach der Dressur jemand war, der ebenfalls für flotte Sprüche bekannt ist. Mike Tindall, Rugby-Profi und Ehemann von Schrades Konkurrentin sowie Queen-Enkelin Zara Philipps, sagte zudem: „Ich kenne Dirk sehr gut. Um ehrlich zu sein, ist er einer meiner besten Trink-Kumpel. Überall, wo wir sind, egal ob England oder Deutschland, treffen wir uns.“

Für Schrade könnte es bald mehrere Gründe geben, wieder anzustoßen. Eine Mannschafts- und vielleicht zwei Einzelmedaillen. Denn der Führende Yoshiaki Oiwa trainiert in Sprockhövel - in Schrades Stall.