Berlin/Hamburg. Vor 40 Jahren erschütterte der Terror die Welt. Elf israelische Sportler und ein Polizist fielen ihm bei den Olympischen Spielen von München zum Opfer. Am kommenden Sonntag zeigt die ARD das Dokudrama „Vom Traum zum Terror - München 72“. Regie führten Marc Brasse und Florian Huber.

Olympia 1972 in München: 40 Jahre ist es her, dass die Bundesrepublik Deutschland den Spitzensport und sich selbst als neuen, weltoffenen Staat feierte. Doch dann zog Terror ein ins Olympische Dorf. Kurz darauf wurden elf israelische Sportler getötet - vor den Augen machtloser deutscher Polizisten. Das Dokudrama „Vom Traum zum Terror - München 72“, zu sehen am Sonntag um 21.45 Uhr im Ersten, lässt den Schrecken des Geiseldramas lebendig werden.

Die Schüsse auf dem Rollfeld von Fürstenfeldbruck hört Klaus Bechler heute nur noch selten. Damals, mit Anfang 30, träumte der Hubschrauberpilot ständig davon. „Ich hatte immer Angst einzuschlafen“, sagt er im dapd-Gespräch. Im Film erzählt Bechler, wie ihn die Euphorie der Spiele erfasst hatte, wie er mit der Menge jubelte - bis die israelischen Sportler in ihrem Quartier als Geiseln genommen wurden und schließlich Schüsse fielen, die zwei Sportler töteten. Bechler, Pilot des Bundesgrenzschutzes, übernimmt die Aufgabe, mit seinem Hubschrauber die palästinensischen Attentäter und ihre überlebenden israelischen Geiseln nach Fürstenfeldbruck zu fliegen - den Lauf einer Maschinenpistole im Nacken.

Kampf um Leben und Tod

Als die Hubschrauber mit den israelischen Sportlern und den Attentätern auf dem Militärflugplatz in Fürstenfeldbruck bei München landen, spitzt sich das Drama zur Katastrophe zu. Bechler und sein Kollege müssen den Terroristen helfen zu fliehen: Auf dem Rollfeld wartet das von den Palästinensern geforderte Flugzeug. Doch bevor die Maschine abheben kann, eröffnen Scharfschützen der deutschen Polizei das Feuer.

Der Militärflughafen Fürstenfeldbruck: Hier endete das Geiseldrama.
Der Militärflughafen Fürstenfeldbruck: Hier endete das Geiseldrama. © imago

Klaus Bechler, im Film gespielt von Matthias Koeberlin, liegt regungslos auf dem Rollfeld, während um ihn herum Menschen in den Salven der Maschinengewehre sterben. Bereits mit den ersten Schüssen seien die Geiseln in einer der Maschinen getötet worden. „Ich habe sie aufschreien hören. Das ist nie richtig dargestellt worden“, sagt Bechler heute. Der junge Pilot stellt sich tot, anderthalb Stunden lang. „Ich habe mir überlegt: Was würdest du machen, wenn du töten wolltest? Auf alles schießen, was sich bewegt. Also bin ich liegen geblieben“, sagt er.

Dann explodiert eine Handgranate in Bechlers Helikopter. Kerosin läuft aus und fängt Feuer. „Da dachte ich: Entweder du wirst erschossen oder du verbrennst oder du schaffst es.“ Klaus Bechler rennt los - und schafft es. Als um 1.32 Uhr des 6. September der letzte Schuss fällt, sind alle Geiseln tot, dazu fünf Terroristen und ein deutscher Polizist.

Die Spiele sind eröffnet: Die Athletinnen und Athleten beim Einzug ins Münchner Olympiastadion am 26. August 1972
Die Spiele sind eröffnet: Die Athletinnen und Athleten beim Einzug ins Münchner Olympiastadion am 26. August 1972 © imago

Krisenstab überfordert

Das Debakel der gescheiterten Geiselbefreiung ist der Höhepunkt einer Reihe von Fehlern eines überforderten Krisenstabs. Angefangen bei dem laxen Sicherheitskonzept der Spiele, in dem uniformierte Polizei gar nicht vorgesehen war, über den dilettantisch getarnten Versuch eines Zugriffs, dem die Terroristen live im Fernsehen zuschauen konnten, bis hin zu dem Versäumnis, die Zahl der Attentäter nach Fürstenfeldbruck zu melden. Kritik an dem Krisenstab um den damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher will Klaus Bechler auch vierzig Jahre nach dem Desaster nicht gelten lassen. „Diese Leute standen unter einem unheimlichen Druck. Ich möchte die Arbeit nicht machen, die die da gemacht haben“, sagt er.

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Von Dirk Graalmann und Thomas Lelgemann

Seinen eigenen, freiwilligen Einsatz hält Bechler keinesfalls für eine Heldentat. „Wenn ich gebraucht werde, dann muss ich auch meinen Kopf hinhalten. Ich kann ja nicht nur Rosinen essen“, sagt er bei einem Pressegespräch in Hamburg. „Ein Wahnsinn“, sagt Schauspieler Matthias Koeberlin voller Respekt. Er spielt den jungen Klaus Bechler in den nachgestellten Szenen des Dokudramas. „Ich mag dieses Genre“, sagt er. „Es hat noch mal eine ganz andere Temperatur, eine ganz andere Wucht. Das packt mich auch persönlich.“

Originale Fernsehbilder, raffiniert geschnitten und kombiniert mit Spielfilmszenen, eine authentische Ausstattung und die ständige Rückkoppelung an die Erinnerung der Zeitzeugen - so vermitteln die Regisseure Marc Brasse und Florian Huber ihrem Publikum Geschichte. Neben Klaus Bechler lassen Hans-Dieter Genscher, Walther Tröger, damals Bürgermeister des Olympischen Dorfs, ebenso wie die Sportlerinnen Heide Rosendahl, Ulrike Meyfarth und Esther Roth-Shachamarow ihre Erinnerungen an das Drama Revue passieren und komplettieren das historische Bild des Terrors von München. (dapd)

Das Dokudrama „Vom Traum zum Terror - München 72“ läuft am Sonntag um 21.45 Uhr im Ersten.