Tokio. Die Olympischen Spiele 2021 in Tokio neigen sich dem Ende zu. Zeit für eine persönliche Bewertung unserer Reporterin. Die Top 10.

Als Reporterin von Olympischen Spielen berichten zu dürfen, ist natürlich ein Privileg. Aber es ist auch Arbeit fast rund um die Uhr. Es ist viel Logistik, viel Zeitpläne und Athletenprofile studieren, viele Stunden oft umständliche Busfahrten quer durch Metropolen wie Peking, London, Rio. Wenig Schlaf. Keine Freizeit. In Tokio kam dazu: Maske tragen. Immer. Außer im Bett. Kein Sightseeing. Kein Essen gehen. Kein Kaltgetränk mit den Kollegen in einer der wenigen Pausen. Dafür: Fiebermessen beim Betreten einer jeden Sportstätte und eines jeden Busses. Hände desinfizieren. Ständig. Jeden Tag die App mit Daten zum eigenen Gesundheitszustand befüllen. Und bloß den nächsten Corona-Test nicht vergessen.

Als Reporterin von Olympischen Spielen berichten zu dürfen, war trotzdem auch in Tokio ein Privileg. Weil es Momente gab, die es nur bei Olympia gibt. Weil sich auch hier, vielleicht gerade hier die ganze Kraft gezeigt hat, die dem Sport innewohnt. Dem Sport, nicht dessen Vermarktung. Reporter vor Ort haben selten einen Überblick über das gesamte Geschehen, dafür sind sie zu nah dran an den einzelnen Ereignissen, über die sie gerade schreiben. Deshalb sind die Top Ten von Tokio, die nun folgen, eine sehr subjektive Zusammenstellung. Sie sind das, was im Herzen bleibt nach gut zwei Wochen zuschauen, zuhören, dabei sein.

Simone Biles

Sie war schon im Vorfeld zum Star der Spiele von Tokio erklärt worden. Viermal Gold und einmal Bronze gewann die 24-Jährige aus den USA vor fünf Jahren in Rio, nun wollte die Welt weitere Glanztaten von ihr sehen. Doch Biles konnte nicht länger Erfolgsgarantin sein. Sie ließ uns hinter die schillernden Kulissen des Spitzensports blicken. Das war mutig. Das war wichtig. Und es war überfällig.

Nike Lorenz

Die angepeilte Medaille verpassten die deutschen Hockey-Damen. Aber die Kölner Kapitänin feierte dennoch einen großen Sieg: Sie bewegte das IOC zum Einlenken. Ihr Ansinnen, auch bei den olympischen Partien die Regenbogenbinde zu tragen als Zeichen für sexuelle Diversität, konnte der sonst so gestrenge Ringe-Orden nicht abweisen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Chapeau für die Hartnäckigkeit!

Gesa Krause

Sie war enttäuscht, die 29-Jährige wollte über 3000 Meter Hindernis in Tokio um eine Medaille mitkämpfen. Aber es klappte nicht, sie konnte auf der letzten Runde nur noch Schadensbegrenzen betreiben und sich auf Platz fünf vorkämpfen. „Wir sind halt keine Maschinen“, sagte sie – und hob sich erfrischend ab von so manchem maschinenartig erlaufenen Weltrekord dieser Spiele.

Gesa Krause im Wassergraben des Olympiastadions in Tokio.
Gesa Krause im Wassergraben des Olympiastadions in Tokio. © dpa

Mandy

Amande de B'Neville, genannt Mandy, ist die Stute von Julia Krajewski, der Olympiasiegerin im Vielseitigkeitsreiten. Sie sagte über ihr Pferd: „Sie kämpft immer für mich. Die würde nie sagen: Eine Runde reicht mir jetzt, die zweite kannst du allein machen. Die kämpft, die will, vielleicht braucht man auch eine Stute, um so etwas abzuliefern.“ Frauenpower eben.

Max Hartung

Als seinen Kollegen nach der verpassten Bronzemedaille mit dem Team der deutschen Säbelfechter bei ihrem letzten gemeinsamen Auftritt die Tränen kamen, ergriff Hartung das Wort. Wie es der Dormagener bei seinem Kampf für mehr Athletenrechte immer getan hatte: „Wir können stolz sein nach dem harten Jahr. Wir haben in der Weltspitze gekämpft. Es hat nochmal richtig Spaß gemacht.“ Diese Karriere zu verfolgen, hat auch Spaß gemacht.

Max Hoff

Noch einer, dessen Traum zum Abschied nicht ganz in Erfüllung gegangen ist. Aber der Kajakfahrer aus Köln hat mir Silber im Zweier seinen olympischen Medaillensatz komplettiert. Bronze 2012 im Einer, Gold 2016 im Vierer und jetzt eben Platz zwei. Wenn er einst seinen Enkeln davon erzählt, kann er sehr stolz sein.

Altmeister und Newcomer: Max Hoff (38, l.) und Jacob Schopf (22) harmonierten im Zwei-Generationen-Boot prächtig. Für Hoff war es das letzte Rennen.
Altmeister und Newcomer: Max Hoff (38, l.) und Jacob Schopf (22) harmonierten im Zwei-Generationen-Boot prächtig. Für Hoff war es das letzte Rennen.

Alexander Megos

Bei dem Kletterer aus Erlangen lösen die Olympischen Spiele zwiespältige Gefühle aus. Als Naturmensch lehnt er das Umwelt-Desaster ab, als das er Olympia empfindet. Als Kletterer ärgert er sich über das Format, das extra für die Olympiapremiere zusammengebastelt wurde. Zugleich freut er sich über neue Vermarktungschancen. Und über das Treffen mit Athleten aus aller Welt. So viel Ehrlichkeit tut gut.

Surfen

Noch eine der neuen Disziplinen im Programm der Spiele von Tokio. Und einfach toll. Spannend, athletisch, abwechslungsreich. Surfer wie der Deutsche Leon Glatzer haben den Sport von seiner besten Seite präsentiert. Und die je 20 Männer und Frauen haben sich während der Spiele nicht vor dem angekündigten Taifun gefürchtet. Im Gegenteil. Sie konnten kaum erwarten, dass er endlich Wellen an die Küste schickt.

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Japanische Volunteers

Sie waren immer und überall. Passten auf, dass wir Reporter auch wirklich in den richtigen Bus stiegen (klappte nicht immer, ein Kollege ist mal in Yokohama gelandet, obwohl er zum Schwimmen in Tokio wollte) und hatten immer einen freundlichen Gruß samt Lächeln auf den Lippen. Sie sorgten für Japan-Flair in der olympischen Corona-Blase.

Japanische Olympia-Fans

Sie waren ausgeschlossen von den Spielen im eigenen Land – und suchten sich auf ihre hartnäckig-freundliche Art kleine Lücken. Am Stadion etwa, wo es eine Stelle gab, an der sie durch den Zaun hindurch gucken und fotografieren konnten. Oder beim Klettern, wo sie mit Stühlen auf eine Fußgängerpromenade Platz nahmen, um einen Blick auf die Kletterwand werfen zu können. Was wären das für Spiele geworden, wenn sie hätten dabei sein dürfen!