Tokio. Nächste Medaille für Deutschland: Die Kanuten Max Hoff und Jacob Schopf haben im Kajak-Zweier in Tokio Olympia-Silber gewonnen.

Die Australier, eben noch Gegner, sind jetzt eine Stütze. Das weiße Boot und das pinke liegen Seite an Seite. Das macht es sicherer für die Insassen, aber eigentlich nicht sicher genug für Kunststücke. Jacob Schopf versucht es trotzdem. Er steht auf, er will zu Max Hoff vorn in dem pinken Schiff, zu seinem Co-Olympiazweiten, Lehrmeister, Freund. Der 22-jährige Olympia-Debütant aus Potsdam will den 38-jährigen Essener in den Arm nehmen, der gerade bei seinen vierte Sommerspielen seinen „letzten Ritt“ hingelegt hat. Schopf will ihm wohl danken, dass er dabei sein durfte, denn das sei „eine Ehre gewesen“, erzählt er später.

Max Hoff und Jacob Schopf Arm in Arm

Eine Umarmung klappt nicht, die Floß-Konstruktion gerät mächtig ins Wanken. Also wird es erst mal nur ein Schulterklopfer. Später, am Steg, als sie wieder Land unter den Füßen haben, da will der Jüngere den Älteren dann gar nicht mehr loslassen. Tränen und Schweiß fließen um die Wette. „Nicht falsch verstehen“, wird Hoff später immer wieder sagen. Die Tränen hätten nicht der Silbermedaille gegolten. Weil Gold vielleicht schöner gewesen werden. Nein. Silber sei super. Silber habe ihm ja noch gefehlt nach Gold im Vierer 2016 in Rio und Bronze im Einer 2012 in London. „Aber es war das letzte große Ding“, sagt Hoff, „das macht mich doch etwas emotional.“

Es war aber auch ein Ritt. Dieses Rennen. Die vergangenen zweieinhalb Jahre dieses Zweiers, den alle nur noch das „Generationenboot“ nennen. Diese Karriere des Kölner Kanuten Max Hoff.

Hoff und Schopf galten als Favoriten im letzten olympischen Kanu-Finale am besonders heißen Donnerstag in Tokio. Sie sind die amtierenden Weltmeister. Sie hatten im Vorfeld einen Weltcup und die EM gewonnen. Und bis 50 Meter vor dem Ziel sah es so aus, als würde ihr Traum wahr werden. Die Australier waren schnell gestartet, nach 500 der 1000 Meter lagen sie etwas in Front. Doch in der zweiten Hälfte spulten die Deutschen ab, was sie am besten können. Schopfs jugendliche Schnellkraft und Hoffs in zweieinhalb Jahrzehnten antrainierte Ausdauer kulminierten in perfektem Antrieb.

Max Hoff (l.) und Jacob Schopf mussten sich im Endspurt den starken Australiern geschlagen geben, freuten sich aber dennoch über Silber.
Max Hoff (l.) und Jacob Schopf mussten sich im Endspurt den starken Australiern geschlagen geben, freuten sich aber dennoch über Silber. © dpa

Australier konterten im Endspurt

Aber die Australier hatten ihre Hausaufgaben gemacht, die deutsche Taktik mit der schnellen zweiten Rennhälfte hatte sich wohl bis in ihre anderthalb Jahre währende Corona-Isolation auf der Insel herumgesprochen. „Sie konnten im Endspurt kontern, das war ein faires Rennen, sie haben verdient gewonnen“, sagt Hoff. Die Tränen sind getrocknet. Der Kloß im Hals fast ganz verschwunden.

Zueinandergefunden haben Hoff und Schopf, nun ja, „wie bei Harry Potter, der richtige Zauberstab…“, beginnt der Jüngere seine Erklärung und lacht. Anfang 2019 haben sich der Altmeister und der Newcomer zusammen ins Boot gesetzt, und es hat gepasst. Sie wurden Weltmeister, sie träumten von olympischem Gold, 2020 sollte ihr Jahr werden. Dann kam Corona. Und alles wurde etwas schwieriger, vor allem für Hoff, der nicht wie Schopf Sportsoldat ist, der Biologie und BWL studiert hat und Ende des Jahres beginnen wollte, sein Geld abseits des Sports zu verdienen.

Olympia-Qualifikation geriet zur Zitterpartie

Was also tun? Die Karriere still und leise beenden? Das konnte Hoff nicht. Er kündigte den noch nicht angetretenen Job in der Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln wieder. Paddelte weiter. Träumte weiter von der dritten Olympia-Medaille. „Ich habe alles auf eine Karte gesetzt“, sagt er.

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Anfang des Jahres hätte er beinahe alles verloren. Die Qualifikation des Zweiers für Olympia geriet zur Zitterpartie, der 38-Jährige kam erst spät in Schwung und sagt in Tokio: „Ohne Jacob hätte ich es nicht geschafft.“ Der Jüngere beschreibt die zweieinhalb Jahre in einem Boot mit dem Älteren so: „Es fühlt sich an, als hätte man ein Lehrbuch dabei. Aber eines, das einen aufmuntert, und nicht wie in der Schule eines, das einen runterzieht.“

Max Hoff war Vorbild für seine Kontrahenten

Jean von der Westhuyzen, 22 Jahre alt und einer der beiden Paddler im australischen Gold-Zweier, gestand in Tokio, dass er noch vor ein paar Jahren ein Foto von Max Hoff als Bildschirmschoner auf seinem Handy nutzte. Und Josef Dostal aus dem tschechischen Bronze-Zweier, 28 Jahre alt, erklärt nach dem Finale: „Max hat mich in meiner ganzen Karriere immer inspiriert.“

Jetzt ist er sein letztes großes Rennen gefahren. Aber eine Lektion hat Max Hoff noch für die nächste Generation: „Ich musste in meiner Karriere lernen, dass Nervosität und die Anspannung vor Wettkämpfen im Alter schlimmer werden. Wenn man einmal da oben ist und seine Position dann behaupten will, das braucht viel Energie und Kampfeswillen, viel Kopf." Es habe Spaß gemacht, sagt er noch. Aber jetzt reicht es auch. Jetzt sind die Jungen dran.