Tokio. Die belarussische Leichtathletin Kristina Timanowskaja ist aus der Olympia-Stadt Tokio abgereist. Ihr Fall wird das IOC aber weiter beschäftigen.

Im Olympia-Skandal um Kristina Timanowskaja hat das IOC kurz vor der Abreise der belarussischen Sprinterin aus Tokio eine Disziplinarkommission zur Aufklärung des Falls eingesetzt. Diese solle die Tatsachen in der Affäre um die mutmaßlich von belarussischen Behörden versuchte Entführung der Leichtathletin aus Japan feststellen, sagte ein Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees am Mittwoch. Timanowskaja hatte Tokio am späten Vormittag (Ortszeit) verlassen, Medien zufolge zunächst mit einem Flug nach Wien statt wie erwartet nach Warschau.

Die 24-Jährige hatte zuvor ein humanitäres Visum von Polen erhalten. Dort könne sie auch ihre sportliche Karriere fortsetzen, hatte die polnische Regierung versichert. „Meines Wissens ist sie auf ihrem Weg nach Polen“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams.

Funktionäre aus Belarus im Fokus

Nach Angaben der Athletin hatten belarussische Behörden sie am Sonntag zur vorzeitigen Rückkehr nach Minsk zwingen wollen, weil sie Kritik an Sportfunktionären geübt hatte. Timanowskaja wandte sich aber am Flughafen Haneda an die japanische Polizei und verweigerte den Rückflug.

Kristina Timanowskaja am Flughafen von Tokio.
Kristina Timanowskaja am Flughafen von Tokio. © Unbekannt | dpa

Die IOC-Disziplinarkommission soll nun vor allem den Leichtathletik-Cheftrainer von Belarus (Weißrussland) und den stellvertretenden Direktor des nationalen Trainingszentrums ins Visier nehmen. Die beiden Funktionäre sollen Timanowskaja mitgeteilt haben, dass sie wegen ihrer Kritik an den Entscheidungen der Teamspitze in den Sozialen Medien vorzeitig in ihre Heimat zurückkehren muss.

Kritik an Belarus von vielen Seiten

Timanowskaja hatte der „Bild“ gesagt, es sei ihr nicht um Politik gegangen. „Ich habe nur kritisiert, dass unsere Chef-Trainer über das Staffellauf-Team entschieden haben, ohne sich mit den Sportlern zu beraten“, erklärte sie. „Dass das solche Ausmaße annehmen und zu einem politischen Skandal werden kann, hätte ich nie gedacht.“

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki attackierte die belarussische Spitze um Machthaber Alexander Lukaschenko scharf. Er forderte, die „Aggression der belarussischen Sicherheitsdienste auf japanischem Gebiet“ müsse auf „entschiedenen Widerspruch der internationalen Gemeinschaft stoßen“. Außenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte die Regierung von Belarus als politisch und moralisch bankrott. Sportler-Bündnisse wie Athleten Deutschland und Global Athlete machten sich für eine Sperre des Belarussischen Olympischen Komitees stark.

IOC nimmt Ermittlungen auf

Eine Entscheidung über mögliche IOC-Sanktionen noch während der Tokio-Spiele erscheint aber unwahrscheinlich. „Diese Dinge brauchen Zeit. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen“, hatte IOC-Sprecher Adams bereits am Dienstag gesagt.

Das NOK von Belarus ist schon seit einiger Zeit beim IOC in Ungnade gefallen. Machthaber Lukaschenko, der lange auch das NOK führte, und sein Sohn Viktor, der nun Verbandschef ist, wurden von allen olympischen Aktivitäten und damit auch den Tokio-Spielen ausgeschlossen. Die Führung des NOK um die Lukaschenkos habe Athleten nicht ausreichend vor politischer Diskriminierung innerhalb der Sportorganisationen des Landes geschützt, begründete IOC-Chef Thomas Bach im vergangenen Dezember die Sanktionen. Auch alle finanziellen Zuwendungen für das NOK von Belarus wurden vorerst eingestellt. (dpa)