Tokio. Auch der Gold-Traum der Hockey-Herren ist geplatzt. Der Deutsche Hockey-Bund könnte erstmals seit langer Zeit ohne Medaille bleiben.

Tränen flossen, anders als am Montag nach dem Viertelfinalaus der Damen gegen Argentinien, keine am Dienstagnachmittag. Enttäuscht waren die deutschen Hockeyherren, keine Frage, schließlich hatte ihnen die 1:3-Niederlage im Halbfinale des olympischen Turniers gegen Australien die Chance verbaut, um die fünfte Goldmedaille nach 1972, 1992, 2008 und 2012 zu kämpfen.

Hockey-Herren spielen nun gegen Indien um Bronze

Dafür geht es am Donnerstag (3.30 Uhr MEZ) immerhin gegen Indien, das im ersten Halbfinale Weltmeister Belgien 2:5 unterlag, wie vor fünf Jahren in Rio de Janeiro um Bronze. Es gibt also noch etwas zu gewinnen für die Auswahl von Bundestrainer Kais al Saadi, entsprechend reserviert gingen die Spieler mit ihren Emotionen um.

Der Mülheimer Lukas Windfeder traf nach einer Ecke zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich.
Der Mülheimer Lukas Windfeder traf nach einer Ecke zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich. © dpa

„Heute Abend kriegt hier keiner mehr den Kopf hoch. Aber wir schlafen eine Nacht drüber und ziehen uns dann gemeinsam wieder hoch. Wir wollen das Turnier vernünftig beenden und eine Medaille holen“, sagte der Mülheimer Lukas Windfeder, und schob nach: „Wir haben vieles richtig gemacht, nur leider zu wenige Tore geschossen.“ Tatsächlich hatte der Vizeeuropameister über weite Strecken der viermal 15 Minuten Spielzeit dominiert. Das frühe 0:1 durch Tim Brand (7.) nach einer Unachtsamkeit in der Abwehr konterte Windfeder nur drei Minuten später per verwandelter erster Strafecke. Beim 1:2 durch Australiens Eckenspezialisten Blake Govers (27.) war der Mannheimer Torhüter Alexander Stadler machtlos, beim 1:3 (59.) stand er schon nicht mehr zwischen den Pfosten. Al Saadi hatte, um den Ausgleich zu erzwingen, fünf Minuten vor Spielende einen elften Feldspieler gebracht, was Lachlan Sharp das entscheidende Tor nach einem Konter leicht machte.

Bundestrainer al Saadi hadert mit der fehlenden Effizienz

Australien, das die Vorrundengruppe A ohne Niederlage gewonnen hatte, ist im Welthockey wahrlich keine Laufkundschaft. Seit dem Ausbruch der weltweiten Pandemie hatte der Olympiasieger von 2004 keine interkontinentalen Spiele mehr bestritten, zeigte sich aber gegen die europäische Konkurrenz – im Viertelfinale hatten die „Kookaburras“ Europameister Niederlande im Penaltyschießen ausgeschaltet – technisch und taktisch auf Augenhöhe und athletisch sogar darüber. Dennoch hätten die Deutschen ihre vor allem in der zweiten Halbzeit offensichtliche Überlegenheit zu mehr Toren nutzen müssen.

Deutschlands Kapitän Tobias Hauke kann die Niederlage nicht fassen. Nun geht es gegen Indien um Bronze.
Deutschlands Kapitän Tobias Hauke kann die Niederlage nicht fassen. Nun geht es gegen Indien um Bronze. © Getty

Mittelfeldspieler Mats Grambusch führte diese Defizite in seiner Spielanalyse dann auch selbstkritisch an. „Wir müssen anerkennen, dass wir im Vergleich mit Australien und Belgien im gegnerischen Kreis nicht gefährlich genug sind“, sagte der Kölner. „Australien hat auch heute wieder diese Qualität nachgewiesen, dass sie aus wenigen Chancen genug Tore machen. Wir dagegen machen aus unseren vielen Chancen und sechs Ecken einfach zu wenig. Da hilft es nichts, dass man überlegen war.“ Auch der Hamburger Bundestrainer haderte mit der fehlenden Effizienz. „Ich finde es schwierig zu sagen, dass wir besser waren, wenn wir 1:3 verlieren. Man muss Australien einfach zu ihrer gnadenlosen Effektivität gratulieren“, sagte er.

Hockeyherren benötigen noch einen weiteren Kraftakt

Auch der 44-Jährige richtete seinen Blick schnell auf das, was am Donnerstag möglich ist. „Die Jungs dürfen jetzt ein paar Stunden traurig sein“, sagte er, „aber dann geht der Fokus voll auf Indien. Wir haben die Chance, ein starkes Turnier noch mit Edelmetall zu belohnen, und das wollen wir unbedingt!“ Um das schlechteste Abschneiden des deutschen Hockeys seit den Sommerspielen 2000 in Sydney, als sowohl Damen als auch Herren ohne Medaille blieben, abzuwenden, ist allerdings ein weiterer Kraftakt vonnöten.

Zwar ist der letzte Goldtriumph des Rekordolympiasiegers (acht Titel) 41 Jahre her, die Inder haben in den vergangenen Jahren allerdings den Anschluss an die Weltspitze wieder hergestellt und präsentieren sich in Tokio spielfreudig und griffig. Rang zwei in der Gruppe, nur einen Zähler hinter Australien und fünf vor Rio-Olympiasieger Argentinien, hat auch bei den Deutschen Eindruck hinterlassen. „Die Inder sind richtig gut“, sagte al Saadi, „aber wir wollen am Donnerstag zeigen, dass wir noch besser sind.“