Tokio. Die Revanche für Rio glückte: Deutschlands Hockey-Herren stehen nach dem 3:1 gegen Argentinien im Halbfinale. Nun wartet Australien.

Die Belohnung für den fünften Einzug in eine olympische Medaillenrunde in Serie bestand für die deutschen Hockeyherren in einer Sporteinheit. Im Mittelpunkt stand dabei allerdings nicht der Hockey-, sondern der Tennisschläger. Gemeinsam schaute die Auswahl von Bundestrainer Kais al Saadi am Sonntagnachmittag das Einzelfinale mit Alexander Zverev, der wie al Saadi Mitglied beim Uhlenhorster HC in Hamburg ist. „Die Mischung aus Anspannung und Entspannung ist für uns sehr wichtig. Die Jungs haben es sich verdient, dass sie mal ein paar Stunden ihren Erfolg genießen dürfen“, sagte der Bundestrainer nach dem 3:1-Viertelfinalsieg gegen Argentinien.

Deutsche Auswahl am Dienstag gegen Australien

Viel Zeit für Müßiggang räumte das Trainerteam der Mannschaft allerdings nicht ein. Bereits am Abend begann die Vorbereitung auf das, was am Dienstagmorgen (3.30 Uhr MEZ) im Halbfinale wartet. Australien, souveräner Sieger der Vorrundengruppe A, hatte sich in seinem Viertelfinale im Penaltyschießen mit 3:0 gegen Europameister Niederlande durchgesetzt, nachdem es nach regulärer Spielzeit 2:2 gestanden hatte. Und so, wie der Bundestrainer im Gespräch mit dem Abendblatt die Vorzüge der „Kookaburras“ beschrieb, steht dem Olympiadritten von Rio 2016 eine extrem hohe Hürde auf dem Weg ins Endspiel im Weg.

„Australien ist physisch extrem stark. Sie haben eine hohe Kreispräsenz, das beste Torschussverhalten aller Teilnehmer hier. Sie spielen sehr strukturiert, zwar wenig variabel, aber immens passsicher und mit hohem Tempo“, sagte al Saadi. Bereits vor Turnierstart, als die Deutschen in Tokio ein Testspiel gegen Australien 1:2 verloren, „haben wir gesehen, dass sie richtig gut drauf sind“.

Hockey-Herren beim Sieg über Argentinien abgeklärt

Dennoch hat das Trainerteam beim Halbfinalrivalen auch Schwächen ausgemacht. „Ich sehe uns bei diesem Klima hier körperlich im Vorteil, weil wir ausdauernder sind und deutlich besser regenerieren. Wenn es uns gelingt, die Räume so zu verdichten wie in den vergangenen beiden Spielen, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir den Einzug ins Finale schaffen werden“, so al Saadi.

Antreiber: Der Hamburger Tobias Hauke, Kapitän des deutschen Teams, setzt sich gegen den Argentiner Lucas Martinez durch.
Antreiber: Der Hamburger Tobias Hauke, Kapitän des deutschen Teams, setzt sich gegen den Argentiner Lucas Martinez durch. © afp

Tatsächlich zeigte sein Team gegen Argentinien eine sehr reife und abgeklärte Vorstellung. Die Partie gegen den Olympiasieger von Rio war von außen als Revanche deklariert worden, nachdem die Südamerikaner vor fünf Jahren in Brasilien beim 5:2-Halbfinalsieg die Deutschen gnadenlos ausgekontert und bis zum 5:0 phasenweise vorgeführt hatten. Die Gedanken daran hätten in der Mannschaft allerdings keine Rolle gespielt, sagte der Hamburger Kapitän Tobias Hauke (33) vom Harvestehuder THC.

Mülheimer Lukas Windfeder mit zwei Toren

„Für uns war wichtig, dass wir heute kühlen Kopf bewahren und unseren Matchplan durchziehen. Das ist uns sehr gut gelungen“, sagte der Mittelfeldmotor. Siegbringend war die hervorragende Strafeckenquote. Drei von vier Versuchen führten zu Toren durch die Mülheimer Lukas Windfeder (19./48.) und Timm Herzbruch (40.).

Besonders wichtig aber war die Erkenntnis, dass die blamable 3:4-Niederlage gegen Südafrika im vierten Gruppenspiel anscheinend der Wendepunkt zum Positiven gewesen ist. Bei einer Mannschaft, die sich im Umbruch befindet und erst mit der Finalteilnahme bei der EM Anfang Juni in den Niederlanden zusammenfand, hätte ein solches Erlebnis auch zu einem Leistungseinbruch führen können, wie al Saadi einräumte. „Wir sind noch nicht so gefestigt, dass wir solche Rückschläge mit Garantie wegstecken. Umso zufriedener und glücklicher war ich mit der Reaktion der Jungs“, sagte er.

Bundestrainer Kais al Saadi lobt den Teamgeist

Die Mannschaft habe sich mehr als eine Stunde offen die Meinung gesagt, anschließend auch in kleineren Gruppen weitergesprochen. „Die interne Führung im Team ist herausragend. Die Hierarchie ist klar, aber gleichzeitig flach, jeder ist sich seiner Rolle bewusst. Zwischen die Jungs passt kein Blatt Papier, und das hat sich nach dem Südafrika-Spiel gezeigt.“ Dazu komme, dass auch im Funktionsteam niemand in Hektik verfalle. „Unsere Personalstruktur ist optimal, alle wissen, was zu tun ist, was es mir einfach macht. Ich glaube, das ist gerade unsere größte Stärke.“ Das 3:1 im letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande und nun der Viertelfinalsieg über Argentinien können als Nachweis dieser Einordnung gelten.

Daraus abzuleiten, dass der Olympiasieger von 2008 und 2012 nun auf dem Weg zum nächsten Gold ist, hält der Bundestrainer allerdings für verfrüht. „Man kann sich nie darauf verlassen, dass ein Team seine Bestleistung abrufen kann. Wir können nur die Stellschrauben drehen, um das möglich zu machen. Das haben wir getan. Wir haben Selbstvertrauen, können Rückschläge abfedern. Aber in einer K.-o.-Runde gibt es nur noch Medaillenkandidaten, wir sind einer von vieren, die noch im Rennen sind“, sagte al Saadi.

Hockey-Damen gegen Argentinien gefordert

Niederlage gegen die Niederlande: Deutschlands Spielführerin Nike Lorenz reklamiert ein Foul.
Niederlage gegen die Niederlande: Deutschlands Spielführerin Nike Lorenz reklamiert ein Foul. © dpa

Während die Herren die Hürde Argentinien bereits übersprungen haben, geht es für die deutschen Damen in der Nacht zum Montag ebenfalls gegen die stärkste Hockeynation Südamerikas um den Einzug in die Runde der letzten vier. Am Sonnabend hatte die Auswahl von Bundestrainer Xavier Reckinger im letzten Gruppenspiel die erste Niederlage einstecken müssen. Beim 1:3 gegen Welt- und Europameister Niederlande war der Vizeeuropameister vor allem im ersten Viertel chancenlos. Das Eckentor der Mannheimerin Sonja Zimmermann (23.) war nur Ergebniskosmetik.