Essen. Als Usain Bolt in Peking 2008 zum Weltrekord gesprintet ist, war das mehr als nur ein Olympiasieg. Unser Autor erinnert sich.

Der größte 100-Meter-Sprint der Geschichte war eigentlich nur 80 Meter lang. Dann trudelte Usain Bolt aus – in 9,69 Sekunden. Weltrekord.

Das, was Bolt am 16. August 2008 in Peking vollbrachte, war viel mehr als ein Olympiasieg. Es war eine Machtdemonstration. Die Konkurrenz hechelte nur hinterher, als der Jamaikaner nach 80 Metern nach links und rechts blickte, grinste – und jubelnd ins Ziel lief. Bolt, das war die perfekte Symbiose aus sportlicher Überlegenheit und gigantischem Zirkus.

Als Usain Bolt lief war mobiles Internet noch teuer

So hatte man es mir nach diesem Jahrhundertlauf überliefert. Von diesen historischen 9,69 Sekunden sah ich nämlich nicht mal eine Tausendstel live: Ich war nicht zu Hause. Sondern wo? Das kann ich nicht mehr rekonstruieren. Die Schule kann es jedenfalls nicht gewesen sein – der 16. August fiel in jenem Jahr auf einen Samstag.

Mobiles Internet war noch sündhaft teuer. Ein Smartphone, das man in der Bahn oder am See mal eben aus der Tasche kramen konnte, um einen Live-Stream anzuwerfen, purer Luxus. So war es damals im fast noch analogen Zeitalter. In grauer Vorzeit. Im Sommer 2008.

Olympische Spiele: Der Charme der Entschleunigung

Dabei hat ja genau diese Entschleunigung ihren Charme. Olympia ist auch immer ein TV-Ereignis, das man gemeinsam mit seiner Familie oder Freunden erlebt. Wenn der olympische Funke aus dem Fernseher ins Wohnzimmer überspringt. Man muss dann halt nur dort sein.

Meinen Frieden mit Bolt schloss ich immerhin im folgenden Sommer. Bei der Weltmeisterschaft in Berlin verbesserte er seinen eigenen Weltrekord. Und diese 9,58 Sekunden ließ ich mir diesmal live nicht entgehen.