Essen. Olympia-Gastgeber Japan versucht viel, um über die trostlose Realität hinwegzutäuschen. Das klappt nicht immer. Eine Kolumne.
Ich bin ehrlich: Als noch 13 Nationen vor Deutschland ins Olympia-Stadion einlaufen sollten, habe ich mir eine Pause gegönnt und was zu Essen geholt. Alle vier, in diesem Fall fünf Jahre, weiß man genau, was einen erwartet: Zu einer Endlos-Musik wie in einer Telefon-Hotline laufen mehr als 200 Nationen in die Arena ein und schwenken Fahnen. Selbst ZDF-Kommentator Béla Réthy stellte sich und den Zuschauern irgendwann die Frage, „ob das noch zeitgemäß ist, dass das noch so lange dauert. Zumal ohne Zuschauer“.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt sich im Laufe der Übertragung ziemlich oft. Nicht mal die vielen großen und kleinen Geschichten, die Réthy ohrgerecht in Dauerschleife serviert (wie macht der Mann das eigentlich?), können die Ödnis tilgen, die sich nach den ersten 50 Nationen einstellt. Nicht mal der hundertste Kamera-Schwenk kann für Unterhaltung sorgen, wo keine stattfindet.
Die Sitzschalen weigern sich, zurückzuwinken
Ob Zuschauer die Eröffnungszeremonie unterhaltsamer gemacht hätten? Zum ersten Mal dürfte diese Frage in der Olympischen TV-Geschichte überhaupt möglich gewesen sein. Die Beantwortung fällt schwer, weil die Gastgeber mit dem Technik-Theater vor dem Einlauf der Nationen alles dafür getan haben, um über die trostlose Realität hinwegzutäuschen. Ganz ließ sich die Wirklichkeit nicht übertünchen, wenn die Athleten instinktiv in die Ränge winkten, wo sich die bunten Sitzschalen weigerten, zurückzuwinken. An diese Situationen wird sich der TV-Zuschauer gewöhnen müssen. Den Olympischen Spielen fehlt etwas, das durch keine Technik zu ersetzen ist. Nicht mal durch Béla Réthys bunte Geschichten.