Tokio. Sind die Olympischen Spiele auch unter Corona-Bedingungen noch attraktiv? Im Wettkampf wird es weiterhin packende Momente geben. Ein Kommentar.

Es fällt dieser Tage leicht, auf die Institution Olympia einzudreschen. Zu oft hat das IOC in der Vergangenheit die Ideale aus seiner eigenen Charta – Transparenz, Fairplay, Integrität – verraten.

Staatschefs mit autokratischen Zügen wurden in der Geschäftsgier zu Kumpanen. Wenn das Raumschiff Olympia erst mal wieder die Gastgeber verlassen hatte, wurden die Städte mit den ökonomischen und ökologischen Nachwehen allein gelassen. Bei vereinzelten Athleten nahm die Scham ab und der Ideenreichtum zu, die eigenen Leistungen mit unerlaubten Mitteln zu steigern. Und dann jetzt auch noch Sommerspiele in einer Zeit, in der die Pandemie der Welt ganz andere Sorgen bereitet.

Das IOC wird den ausgesperrten Olympia-Zuschauern makellose TV-Bilder liefern

Selbst die größten Anhänger dürften die Illusion aufgegeben haben, dass Olympia noch Teil der besseren Welt ist. Doch ohne das größte Fest des Sports und der Völkerverständigung wäre die Welt noch ein bisschen schlechter dran.

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In Japan werden heute die Spiele der 32. Olympiade eröffnet. Was den Umgang mit dem Corona-Virus betrifft, wird das IOC den ausgesperrten Zuschauern eine makellos geschönte Welt auf die Bildschirme senden. Und doch wird es Momente echter Fairness, packender Willenskraft, begeisternden Teamgeistes geben. Der Sport kann weiterhin Gräben schließen, Menschen unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Glaubens verbinden. Auf Leidenschaft werden echte Tränen der Freude oder der Enttäuschung folgen. Sie können die Jugend der Welt dazu animieren, von einer Olympia-Teilnahme eines Tages zu träumen.

TV-Quoten werden über die Attraktivität von Olympia in Tokio entscheiden

Am Schluss werden unter anderem die Zuschauerquoten und nicht das IOC darüber entscheiden, ob Olympia in Tokio an Relevanz und Attraktivität einbüßt. Und frühestens zum Ende der Wettkämpfe lässt sich ansatzweise bilanzieren, ob und in welchem Ausmaß Corona den Schaden vergrößert hat, den Korruption, Doping und grenzenlose Vermarktung bereits hinterlassen haben.

Präsident Thomas Bach sagte, das IOC ließe seine Athleten nicht im Stich. Stärker auf sie zu hören, ihre Interessen den wirtschaftlichen zumindest mal gleichzustellen, könnte zur Besinnung beitragen. Klar, man muss mit Olympia und seinen Widersprüchen leben – aber muss man deswegen auch die Hoffnung aufgeben, dass es doch noch besser werden kann?