Essen. Olympia 2021 in Tokio: Mit dem Zuschauer-Ausschluss setzt Japan ein Zeichen, das man sich auch für die EM gewünscht hätte. Ein Kommentar.
Wenn am 23. Juli die Athleten dieser Welt in das Olympia-Stadion einziehen werden, sie lächeln und Fähnchen schwenken, manche ihr Glück gar nicht fassen können, dürften sie schnell feststellen: Auch die 14-Millionen-Einwohner-Metropole Tokio kann an manchen Tagen ein Dorf sein. Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele wird dann trotz pompöser Aufmachung und fetziger Musik kaum mehr Charme versprühen als ein Stadtteilsportfest. Rufe auf die Ränge, die sonst 68.000 Menschen fassen, verhallen in der Leere. Außer ein paar Leuten, denen nachgesagt wird, ganz wichtig zu sein, niemand da, der zurückwinkt.
Wäre Olympia für viele der eigentlichen Protagonisten nicht trotzdem der Höhepunkt ihrer sportlichen Laufbahn – man könnte glatt weinen.
Olympia abzusagen, ist keine Alternative
Die Organisatoren haben mit der Entscheidung, die Sommerspiele von Tokio als Geisterspiele über die Bühne gehen zu lassen, die Notbremse vor der Absage gezogen. Zu diesem Albtraum wird es nicht mehr kommen. Wobei sterile Fernsehspiele in Zeichen der Fünf Ringe schon Schreckensszenario genug sind. Doch es gilt vorrangig, TV-Verträge einzuhalten; das Geld muss fließen – an das IOC, aber auch an die internationalen Sportverbände, an die Gastgeber; die demokratisch gewählten Vertreter des stolzen japanischen Volks wollen nicht ihr Gesicht verlieren. Das Wichtigste an den Spielen sind seine Athleten – doch ohne Zuschauer wird Olympia seine Seele genommen.
Den Leichtathleten, Hockeyspielern oder Ringern ist nicht vorzuwerfen, dass sie ihre Wettkämpfe trotzdem lieber vor leeren Tribünen austragen wollen als gar nicht. Es sagt sich immer so leicht: Na, sollen sie halt mal auf Olympia verzichten, ist doch nur Sport. Viele von ihnen betreiben den Aufwand aber nicht nur aus Spaß an der Bewegung, sondern weil es ihr Beruf ist. Und wenn es nicht gerade Hochdotierte mit sechs- oder gar siebenstelligen Gehältern sind, hat ihnen die Corona-Pandemie genauso zugesetzt wie dem Schauspieler, der nicht auf die Bühne konnte, oder dem Wirt, der seine Kneipe geschlossen lassen musste.
Olympia muss ohne Zuschauer auskommen, die Bundesliga spielt vor bis zu 25.000 Fans
Die Olympischen Spiele werden stattfinden. Aber zum Glück, so sarkastisch darf man an dieser Stelle sein, hat die Uefa nicht auch noch Einfluss auf das IOC, das Organisationskomitee und Japans Regierung: Denn während die Europäische Fußball-Union zu den letzten drei EM-Spielen 60.000 Menschen zum Wembleystadion pendeln lässt, handeln die Olympia-Macher hier ja noch vergleichsweise vernünftig.
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Der Begriff Notstand irritiert nämlich, Olympia hin oder her: Einen Lockdown wie in Deutschland gab es in Japan nicht. Obwohl erst 15 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind, will sich das Land den bisher glimpflich verlaufenen Umgang mit Corona aber nicht kaputt machen lassen. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Tokio liegt noch immer unter 35. Das ist der Wert, bei dem in Deutschland übrigens demnächst bis zu 25.000 Fußballfans in die Bundesligastadien dürfen. Was manchen Managern ja immer noch zu wenig ist.