Essen. Das IOC tut sich schwer mit einer Verschiebung der Olympischen Spiele. Doch sie sind in diesem Jahr längst unvorstellbar. Ein Kommentar.

Er war der Albatros. Zwei Meter eins lang, Armspannweite zwei Meter dreizehn. Michael Groß, heute 55 Jahre alt, zog in den 80er-Jahren unnachahmlich durchs Schwimmbecken. Insgesamt 21-mal stand er bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften ganz oben auf dem Treppchen. Er stellte zwölf Weltrekorde auf. Nur Tennis-Legende Boris Becker wurde wie er viermal zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt.

Wenn ein Sportler, der seine Leistungen mit solchen Zahlen belegen kann und nach seiner Karriere dem Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees sowie dem Vorstand der Deutschen Sporthilfe angehörte, seine Stimme zum Thema Olympische Spiele erhebt, dann spricht da kein Wichtigtuer, sondern ein Könner und Kenner.

Michael Groß schreibt öffentlich an Thomas Bach

Am Wochenende hat sich Michael Groß bei Facebook an den IOC-Präsidenten Thomas Bach gewandt. Mit dieser Einleitung: „Lieber Thomas, wir beide haben zusammen den Olympia-Boykott 1980 erlitten.“ Bach war damals Fechter, Groß erinnert ihn nun daran, dass das Teilnahme-Verbot an den Spielen in Moskau in Zeiten des Kalten Krieges für viele Sportler aus dem Westen ein endgültiges Olympia-Aus war. „Diesmal geht es darum, dass Du den Traum von Olympia für viele Athleten retten kannst, durch das Verschieben der Spiele auf 2021 oder 2022.“

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Kann man noch anders denken als Michael Groß? Olympia würde im Juli und August eine neue Virenschleuder anwerfen. Aber Bach zögert. Eine Absage, behauptet er im Gegensatz zu Groß, würde den Traum der Athleten zerstören.

Auch faire Spiele sind längst nicht mehr zu erwarten

Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Internationale Olympische Komitee schon häufig von Moralvorstellungen geleitet, die sogar Caligula die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten. Thomas Bach hat jetzt noch die Chance zu beweisen, dass es ihm mehr um Athleten als um Moneten geht. Um Athleten, die derzeit nicht oder nur eingeschränkt trainieren können. Deren Qualifikations-Wettbewerbe abgesagt wurden. Die keine fairen Spiele mehr erwarten könnten, weil das Doping-Kontrollsystem zusammengebrochen ist. Die auch Angst vor Ansteckungen haben.

Tokio 2020 darf es nicht geben. Wird es nicht geben.