Pyeongchang. Am Dienstag geht es gegen die Schweiz um den Viertelfinal-Einzug. Bundestrainer Marco Sturm gibt seiner Mannschaft vorher trainingsfrei.
Locker bleiben, das ist jetzt wichtig. Den Kopf frei bekommen, abschalten. Auf die gebuchte Trainingseinheit verzichtete Marco Sturm deshalb am Montag. Stattdessen gewährte der Bundestrainer seiner Truppe einen freien Tag, was einige zu einem entspannten Strandspaziergang nutzten. So umging man gleichzeitig die lästige olympische Formalie, nach dem Training Fragen beantworten zu müssen. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft war nicht greifbar vor dem großen Spiel, Sturm sorgte für Ruhe.
So hat es der deutsche NHL-Rekordspieler am liebsten, wenn es ernst wird. Störende Einflüsse von außen versucht Sturm dann zu minimieren, soweit es in seiner Macht steht. Am Dienstag soll seine Mannschaft perfekt vorbereitet in die Partie gegen die Schweiz gehen (13.10 Uhr MESZ), in der sich die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) erstmals seit 2002 für ein olympisches Viertelfinale qualifizieren will. „Es ist ein Derby, in dem alles passieren kann, ein heißes Spiel, auf das wir uns freuen“, sagt der Bundestrainer.
Erst kurz vor der Abreise nach Südkorea trafen sich beide Mannschaften zu einem Testspiel, die DEB-Truppe setzte sich mit 2:1 nach Verlängerung durch. „Wir haben sehen, dass wir gegen sie gewinnen können. Das tut ganz gut“, so Sturm. Ebenso von moralischem Wert war der 2:1-Sieg nach Penaltyschießen gegen Norwegen zum Abschluss der Gruppenphase, der erste Erfolg einer deutschen Mannschaft bei Olympia seit 16 Jahren.
Norwegen spielt als Gruppenletzter nun gegen Slowenien
Die Hoffnung auf einen leichteren Gegner, die mit diesem Sieg verbunden war, erfüllte sich jedoch nur bedingt. Norwegen spielt als Gruppenletzter nun gegen Slowenien, den Weltranglisten-15., um den Einzug ins Viertelfinale. Deutschland, Achter der Weltrangliste, bekommt es mit dem Siebten und WM-Zweiten von 2013 zu tun, der seinen großen Nachbarn in den vergangenen Jahren in der Entwicklung deutlich hinter sich gelassen hat.
Über die aktuelle Lage in Pyeongchang kann der Fortschritt des Schweizer Eishockeys allerdings keine genaue Auskunft geben. Mit ihren Besten wären die Eidgenossen eine enorme Hürde, doch die meisten davon sind nicht dabei. 15 Spieler sind in der nordamerikanischen NHL aktiv, die ihre Profis in Südkorea nicht mitwirken lässt. Im Vergleich dazu muss Sturm auf sieben NHL-Akteure verzichten. Mit der Kompensation des Verlustes tun sich die Schweizer trotz einer weitaus stärkeren heimischen Liga im Hintergrund deutlich schwerer als die Deutschen.
Das haben Sturm und seine Mannschaft wahrgenommen, und es stärkt das Selbstbewusstsein ebenso wie der Erfolg gegen Norwegen. „Ich denke, wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Wenn wir noch mal eine Schippe drauflegen können, können wir vielleicht auch das nächste Spiel gewinnen“, sagt Stürmer Gerrit Fauser. Andere formulieren ihre Erwartungen deutlicher. „Es ist noch einiges drin“, sagt Angreifer Patrick Hager. Das Turnier hat mit den angeglichenen Kräfteverhältnissen aufgrund der NHL-Absenz in der Gruppenphase bereits einige Überraschungen erlebt, weitere erscheinen möglich.
Auch durch das deutsche Team. „Wir stehen defensiv sehr gut, sehr kompakt, lassen wenig zu“, sagt Sturm. In der Offensive müssen „wir es mehr erzwingen“, so Fauser. Die Ausbeute vor dem gegnerischen Tor fiel bislang nicht zufriedenstellend aus. Sturm will von seinen Spielern nun mehr Schüsse sehen, mehr Druck auf die gegnerische Abwehr. Auch das Überzahlspiel soll taktisch noch besser aufgestellt werden. „Wenn wir unser Eishockey spielen und vorn effizienter mit den Chancen sind, können wir jeden Gegner schlagen“, erzählt Hager. Einen Gegner, den man fürchten muss, habe er im Turnier noch nicht gesehen.
„Die Jungs brennen genauso wie wir damals"
Diese Einstellung verleitet den Präsidenten des DEB sogar zu großen Vergleichen. „Die Jungs brennen genauso wie wir damals. Das sieht man am Funkeln in den Augen“, sagt Franz Reindl, der 1976 in Innsbruck mit dem deutschen Team sensationell Bronze gewann. Bevor es nun soweit kommen könnte, müsste im Viertelfinale erst einmal Schweden geschlagen werden. Gegen den Weltmeister liefert das deutsche Team beim 0:1 in der Punkterunde immerhin eine der besten Leistungen überhaupt unter Sturm ab.