Rio de Janeiro. Trotz vorhersehbarem Ausgang und nachlassender Leistung zieht Usain Bolt immer noch die Leichtathletik-Fans in seinen Bann. Ein Kommentar.

Es ist so wie beim Dinner for One. Wir wissen, was May Warden als Miss Sophie und Freddie Frinton als Butler James sagen und wie sie sich bewegen. Und doch amüsieren wir uns jedes Jahr zu Silvester aufs Neue. Bei Usain Bolt ist es auch so, nur dass nicht jedes Jahr Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften stattfinden. Der Engländer Gary Lineker hat mal gesagt: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.” Frei nach der englischen Ikone: Der 100-Meter-Lauf ist ein einfaches Rennen: Acht Sprinter trommeln über die Tartanbahn – und am Ende gewinnt Usain Bolt.

Bolt zieht die Leichtathletik-Fans in seinen Bann

Tatsache eins also: Eigentlich ist der Ausgang unausweichlich. Es sei denn, Bolt leistet sich einen Fehlstart wie 2011 bei der WM in Daegu. Tatsache zwei: Während andere wie der Südafrikaner Wayde van Niekerk über 400 Meter in Rio Weltrekorde laufen, wird Bolt langsamer. 2008 holte er in Peking in 9,69 Sekunden Gold, 2012 gewann er in 9,63 Sekunden. Diesmal triumphierte er in 9,81 Sekunden. Schon 2015 kam er als Weltmeister in Peking mit 9,79 Sekunden längst nicht an seinen Weltrekord (9,58) heran.

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Trotz vorhersehbarem Ausgang und nachlassender Leistung zieht Bolt immer noch die Leichtathletik-Fans in seinen Bann. Das schafft kein anderer. Weil er das hat, was mindestens so wichtig ist wie herausragende Leistungen. Bolt ist nicht nur ein Läufer, der so schnell wie kein anderer über die Tartanbahn läuft. Bolt ist mehr: Bolt ist ein Entertainer, der genau weiß, was seine Fans von ihm erwarten.

Der Jamaikaner, der am Tag der Schlussfeier seinen 30. Geburtstag feiern wird, spielt mit dem Publikum. Selfies nach dem Rennen? Kein Problem. Geduldig posiert er für unzählige Fans. Ein Star zum Anfassen, nicht nur in dieser brasilianischen Nacht. Bolt hat seinen Rücktritt für 2017 angekündigt. Dies wird ein schwerer Verlust für die Leichtathletik, denn Bolt hat mit seinen Auftritten die Skandale der Sportart verdrängt. Jedenfalls für knappe zehn Sekunden. Und als Sportfan ist man dafür sehr, sehr dankbar.