Essen. Christoph Harting missachtet Konventionen und sprengt den gesetzten Rahmen. Solche Typen braucht der deutsche Sport. Ein Kommentar.

Natürlich hätte Christoph Harting ein bisschen mehr Würde bei der Siegerehrung zeigen und seine Füße stillhalten können. Die Übergabe von Olympischen Medaillen ist ein so feierlicher Akt, dass jeder noch so empathielose Sportler spüren müsste: Jetzt lieber eine Träne verdrücken als Samba tanzen. Aber wollen wir jetzt wirklich diese Petitesse über den Gewinn der Goldmedaille stellen?

Womöglich ist Deutschland das einzige Land auf Erden, das es sogar schafft, einen Olympiasieger kleinzumachen. In den Sozialen Netzwerken und in öffentlichen Stellungnahmen wie von DOSB-General Michael Vesper wird der Diskuswerfer hingestellt, als habe er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Nein, er hat nicht gegen Dopingkontrollen verstoßen oder Teammitglieder niedergestreckt — er hat sich nur ausgiebig gefreut. Wer will ihm das verdenken?

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Er ist 25 Jahre alt, tritt endlich aus dem Schatten des scheinbar übermächtigen Bruders und Titelverteidigers Robert Harting und gewinnt zum allerersten Mal etwas Handfestes. Und dabei ist er ausgeflippt, als er seinen Namen in den Geschichtsbüchern des Sports wähnt. Die Deutschen rufen immer nach Typen im Sport. Freunde, hier ist einer: Christoph Harting ist ein Typ, wie es sein Bruder ist. Einer, der Konventionen missachtet und den gesetzten Rahmen sprengt. Ganz ehrlich: Solche Typen braucht der deutsche Sport. Freuen wir uns mit ihm und verzeihen wir ihm den Fauxpas.

Die deutsche Leichtathletik ist nicht mit einem Überangebot an Stars gesegnet. Das Bruderduell bei Hartings könnte, wenn Robert nicht zurücktritt, ein populäres Thema in nächster Zeit werden. Und das hier sei erwähnt: Die öffentlichen Auftritte von Vesper und seinem Ex-Boss Bach bei den Olympischen Spielen waren weitaus peinlicher.

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