Rio de Janerio. Das demonstrative Dauerlächeln löste sich urplötzlich in Tränen auf. Die gesammelte Schwimm-Welt zeigte Julija Jefimowa ihre demonstrative Ablehnung.

Die Konkurrenz schnitt die russische Dopingsünderin so gut es ging, das Publikum empfing Jefimowa vor dem Olympia-Rennen über 100 Meter Brust mit Pfiffen und Buhrufen. Julija Jefimowa hat zu ihrem Ruf als Bad Girl durch eigenes Verhalten beträchtlich beigetragen, ist in Rio ein Gesicht des Dopings. Die einhellige Meinung, gar Furcht lautete: Eine Olympiasiegerin Jefimowa würde dem ohnehin schon ramponierten Sportimage der Spiele von Rio de Janeiro weiteren großen Schaden zufügen.

Als die 19-jährige Amerikanerin Lilly King und nicht Jefimowa als Erste anschlug, war der Jubel auch im Vorbereitungsraum auf die folgenden Rennen groß, berichtete die Deutsche Alexandra Wenk. King feierte im Wasser den Sieg mit ihrer Teamkollegin und ignorierte Jefimowa auf der Bahn neben ihr. "Es gibt einen sauberen Weg zum Sieg", sagte King und zelebrierte geradezu ihre Antipathie gegen Jefimowa.

Keiner gratulierte der Weltmeisterin zu Olympia-Silber, bei der Ehrenrunde ließen die US-Girls sie die Abneigung deutlich spüren. Die erste menschliche Wärme in der olympischen Schwimmhalle erhielt die dann weinende Jefimowa in den Armen eines russischen Fernsehreporters.

Schon einmal wegen Doping gesperrt

Nachdem sie tapfer allen TV-Stationen Rede und Antwort gestanden hatte, vergoss sie in der Interviewzone bei der Ehefrau ihres Managers weitere Tränen. "Der Sport und Politik sollten getrennt sein. Es schmerzt mich, dass viele Athleten das nicht verstehen und alles glauben", sagte mit dünner Stimme und verheulten Augen in der Pressekonferenz. Es gebe auch saubere Athleten in Russland, sie selbst trainiere seit vier Jahren in den USA, entgegnete sie Fragen nach russischem Staatsdoping. Glaubhaft klang das nicht von der Frau, die schon einmal wegen Doping gesperrt war und die Strafe mit einem Bußgeld für zu schnelles Fahren verglich.

Bei Olympiasiegerin King gab es gar kein Mitgefühl. "Ich bin stolz, sauber zu schwimmen", sagte sie. Auf die Frage, warum sie Jefimowa nicht gratuliert hatte, antwortete King kühl: "Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, würde ich darauf keinen großen Wert legen, wenn jemand nicht in den höchsten Tönen von mir spricht." Der Rennausgang sei "gut für die Guten" gewesen.

Auch Rekord-Olympionike Michael Phelps positionierte sich eindeutig gegen Jefimowa, die sich nach einer Doping-Sperre ihr Startrecht kurz vor den Spielen eingeklagt hatte. Es könne nicht sein, dass nach mehreren positiven Dopingtests Athleten wieder an Wettkämpfen teilnehmen dürften. "Das ist gegen alle Werte des Sports und das kotzt mich an", sagte Phelps: "Das bricht mir das Herz."

Für den deutschen Chefbundestrainer Henning Lambertz ist das Dopingproblem im Schwimmsport aber nicht nur an einer Nation oder gar einer Person festzumachen. Auffallende Leitungssprünge gebe es auch bei anderen Verbänden. "Es haben sich ganz viele auf Jefimowa & Co. eingeschossen, sicher weil das Thema des russischen Staatsdopings in alle Munde war", sagte Lambertz. Aber es lohne eben auch ein allumfassender Blick. "Dann ist das zumindest so, dass uns das erstmal ein bisschen ein Fragezeichen ins Gesicht zaubert. Die Sprünge hätten wir auch alle gerne."

Hickhack im Vorfeld der Sommerspiele

Bei so manchen Leistungssteigerungen im Olympic Aquatics Stadium schwimmt der Verdacht mit, unwillkürlich auch bei Fabel-Weltrekorden. Das Hickhack im Vorfeld der Sommerspiele und ausweichende Haltung der Verantwortlichen hat nichts dafür getan, die Skepsis zu verringern. "So wie es jetzt ist, hat einer dem anderen den Schwarzen Peter zugeschoben", sagte Biedermann-Trainer Frank Embacher. Klare Regeln und klares Handeln würden es leichter machen.

Nachsichtiger als Jefimowa wurde zumindest am Montag (Ortszeit) Olympiasieger Sun Yang behandelt. Der Chinese kam vor den Spielen ähnlich wie Jefimowa mit einer glimpflichen Sperre davon. Bei der Siegerehrung umarmten ihn seine Kontrahenten, Pfiffe waren kaum zu hören. "Es ist nicht der Athlet, der schuld ist, sondern das System, das schuld ist", sagte Paul Biedermann und sieht auch den Weltverband FINA in der Pflicht. (dpa)