Essen. Dass Deutschland bei den Olympischen Spielen bislang noch keinen Medaillengewinn feiern durfte, liegt nicht an den Sportlern. Ein Kommentar.

Ausdrücklich haben wir gesagt: Wir möchten die Leistungen der deutschen Olympiasportler nicht allein an den Medaillen messen. Der kämpferische Auftritt des deutschen Turners Andreas Toba nötigte uns so viel Respekt ab, dass wir sagten: Es gibt im Sport Werte, die mindestens so viel wert sind wie Goldmedaillen. Und trotzdem: Wir ärgern uns ein bisschen, dass Deutschland noch immer keine Medaille gewonnen hat. Denn guter Wille und dopingfreie Fairness sind das eine, das andere: der Lohn für vier Jahre gute Arbeit. Und bei Olympia wird mit Medaillen belohnt.

Drei Tage Olympia sind jetzt vorbei - und es gibt keinen Deutschen, der auf dem Treppchen stehen durfte. Wir kennen das Gefühl von London 2012: Damals hat es eine halbe Ewigkeit gedauert, bis das erste Gold kam. DOSB-Vorstandsvorsitzender Michael Vesper will die Gemüter beruhigen und sagt: "Wir haben ja noch 13 Wettkampftage." Da tut es schon gut, wenn sein Olympia-Boss Alfons Hörmann an den Leistungsgedanken im deutschen Sport erinnert: "Der Start ist nicht so gut, wie wir uns das gewünscht haben. Alles andere wäre schöngeredet."

Es ist reichlich früh, schon jetzt von einer Sportkrise in Deutschland zu reden. Wir werden noch einige Goldmedaillen zu feiern haben. Aber es werden immer weniger. Die Turner: alles gute Jungs - aber nicht Weltklasse. Die Schützen: nicht mehr so treffsicher wie über Jahrzehnte. Der Tischtennis-Star Timo Boll: leider in die Jahre gekommen - und ausgeschieden. Die Schwimmer um Paul Biedermann: Gottlob, keiner ertrunken. Und jetzt das Wichtigste: Es liegt NICHT am Fleiß, an der Motivation oder an der Klasse der deutschen Athleten! Nein, die Gründe liegen woanders.

Die deutschen Sportfunktionäre scheitern bei Olympia - nicht die Sportler.

Zu wenig Unterstützung für die Sportler

Was wir uns fragen müssen: Werden unsere Sportler über Jahre genügend gefördert und unterstützt, dass sie alle vier Jahre Spitzenleistungen zeigen und Medaillen gewinnen können? Haben wir noch die besten Trainer? Sind unsere Trainingsmethoden noch modern und wissenschaftlich fundiert genug? Lebt unsere Gesellschaft den Sport?

Schon vor vier Jahren wollte der Olympia-Verband Tacheles reden. Es ist beim leeren Gerede von Herrn Vesper geblieben: Alles versprochen, alles angekündigt, nix passiert. Fragt man die Athleten, verdrehen nicht wenige die Augen. Die deutschen Sportfunktionäre: zu sehr mit sich und ihrem Status beschäftigt, als dass die Sportler Unterstützung erfahren. Vielleicht muss diese Spitze im Deutschen Olympischen Sportbund erst ausgetauscht werden, bevor es wieder bergauf gehen kann.

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