Rio de Janeiro. Andreas Toba hat für einen besonderen deutschen Olympia-Moment gesorgt. Trotz Kreuzbandriss turnte er weiter. Die Spiele sind für ihn beendet.

Es gibt Momente, mit denen sich Sportler in den Gedächtnissen der Fans verewigen. Manchmal müssen diese Momente nicht zwangsläufig ein Olympiasieg oder ein anderer großer Sporttriumph sein. Andreas Toba hat am ersten Tag der olympischen Turnwettbewerbe so einen Moment erlebt. Und er tat weh, sehr weh. Aber er hat dem deutschen Team nach einem dramatischen Wettkampf den schon fast aus den Augen verloren gegangenen achten Platz und damit den Einzug in das Team-Finale am Montag (ab 16 Uhr Ortszeit/21 Uhr MESZ) gerettet.

Trotz Wartezeiten - Beste Laune im Olympischen Park von Rio

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    Für Toba sind die Olympischen Spiele allerdings zu Ende. "Ein weiterer Wettkampfeinsatz für Toba ist nicht mehr möglich", teilte der Deutsche Olympische Sportbund am Sonntag in Rio de Janeiro mit. Nach der am späten Samstagabend durchgeführten MRT-Untersuchung stellte sich heraus, dass sich der deutsche Mehrkampfmeister aus Hannover bei seinem schweren Sturz am Boden unter anderem das vordere Kreuzband im Knie gerissen und sich den Innenmeniskus verletzt hat.

    Was war geschehen? Andreas Toba, der deutsche Meister im Mehrkampf, landete bei einem Sprung seiner Bodenübung unglücklich. Ein spitzer Schrei -- Toba lag auf der Matte und konnte weder weiter turnen noch aufstehen. “Auf einmal hat es gekracht”, beschrieb der Hannoveraner später den Moment. “ich konnte das Bein einfach nicht mehr halten.” Der deutsche Teamarzt Hans-Peter Boschert eilte zu ihm, half ihm auf und machte die wichtigsten Funktionstests. Die Erstdiagnose Kreuzbandriss bestätigte sich und bei der späteren genauen Untersuchung stellte sich zusätzlich ein Riss des Meniskus heraus.

    Hambüchen konnte nicht einspringen

    Eigentlich hätte Toba sofort den Wettkampf beenden müssen. Eigentlich. Wenn da nicht das Problem gewesen wäre, dass dann das deutsche Team seine Chancen auf das Finale hätte begraben müssen. Denn Fabian Hambüchen konnte nicht einspringen, weil er gerade erst eine Schulterverletzung halbwegs auskuriert hat und so überhaupt in Rio an drei Geräten der Mannschaft helfen konnte. Toba signalisierte Trainer Andreas Hirsch, dass er ans Pferd gehen wollte. „Ich war nicht tapfer. Ich habe geheult wie ein Schuljunge“, sagte Toba. „Aber als ich auf der Pritsche lag, ging mir durch den Kopf: Du musst dem Team helfen. Und das habe ich getan, trotz der irren Schmerzen.“

    Also humpelte er ans Gerät -- und legte eine tadellose Übung hin, die bei weitem beste der deutschen Turner an ihrem Problemgerät. Direkt nach seinem gestandenen Abgang brach er mit verzerrtem Gesicht zusammen. Die Tränen ließen sich nicht mehr stoppen. Bis dahin hatte das Adrenalin wie Doping gewirkt, hatte die Schmerzen so weit wie möglich unterdrückt.

    Alle Teamkollegen gingen zu ihm, halfen ihm zurück auf die Bank, trösteten ihn wegen der ersichtlichen Schmerzen und beglückwünschten ihn gleichzeitig zu diesem sportlichen Heldenakt. Der Deutsche Olympische Sportbund ernannte Toba auf Twitter zum “Hero of Janeiro”.

    “Ich ziehe den Hut vor Andy”, sagte Hambüchen. “Das hätte nicht jeder getan und kein anderer geschafft. Ich wäre gern eingesprungen, aber mit meiner Schulter geht es einfach nicht.” Am Reck ist Hambüchen jedoch fast schon wieder so stark wie zu seinen besten Tagen, als er 2007 Weltmeister wurde und zweimal in Folge Medaillen bei Olympia gewann: 2008 Bronze, 2012 Silber. Vielleicht ist in Rio sogar Gold drin: Mit einer ganz starken Vorstellung meldete sich der 28-Jährige bei seiner vierten Olympiateilnahme in der Weltspitze zurück und zog als Erster ins Reck-Finale ein.

    Die beiden anderen deutschen Kandidaten auf eine Finalteilnahme gingen leer aus. Andreas Bretschneider musste bei der nach ihm benannten Höchstschwierigkeit am Reck ebenso vom Gerät wie Marcel Nguyen. Der zweimalige Silbermedaillengewinner von 2012 verpasste dann auch noch als Elfter das Barren-Finale.

    Der Wettbewerb war zwischenzeitlich unterbrochen worden, weil der Franzose Samir Ait Said am Sprung fürchterlich gestürzt war. Bei der Landung kam er derart unglücklich auf, dass sein Unterschenkel danach im 90-Grad-Winkel abknickte. Erste Diagnose: Schienbeinbruch. “Ich kann so etwas nicht sehen”, erklärte Trainer Hirsch. “Ich habe meinen Jungs gesagt, schaut weg, seht nur mich an.”