Essen. Nach zahlreichen Dopingskandalen sollen Springer, Läufer und Werfer nicht in Rio starten. Sporthistorische Entscheidung wird von Experten begrüßt. Für wenige Athleten gibt es eine Hintertür.

  • Russische Leichtathleten für Olympia in Rio de Janeiro gesperrt
  • Grund sind schwere Verstöße gegen Doping-Richtlinien
  • Es könnte Ausnahmen geben

Russische Leichtathleten dürfen nicht unter der Flagge ihres Landes an den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro starten: Diese sporthistorische Entscheidung fällte der Welt-Leichtathletik-Verband (IAAF): Der 17. Juni wird als schwarzer Freitag in die Geschichte des russischen Sports eingehen. Als Sebastian Coe, der IAAF-Präsident, in Wien den einstimmigen Beschluss der 24 IAAF-Council-Mitglieder verkündete, saß das Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) im Sitzungssaal Wilhelmshöhe des Kasseler Hotels La Strada und verfolgte gespannt auf einer Großleinwand das Geschehen in Wien. Die IAAF bestätigte die bereits im November 2015 ausgesprochene Suspendierung der russischen Leichtathleten von allen internationalen Wettkämpfen, also auch von der EM im Juli in Amsterdam und noch viel schwerwiegender: von den Olympischen Spielen im August.

IOC will der Empfehlung wohl folgen

„Es ist ein wichtiger Tag, weil es um die Glaubwürdigkeit des Sports ging“, erklärte Clemens Prokop, der DLV-Präsident, einen Tag vor den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Kassel. „Ein Land wie Russland, das systematisch dopt, darf nicht an Olympischen Spielen teilnehmen. Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Chancengleichheit und ein guter Tag für alle sauberen Sportler.“

Die IAAF-Taskforce, die in den vergangenen Wochen das Verhalten Russlands im Anti-Doping-Kampf überprüft hat, ist zum Schluss gekommen, dass es keine wesentlichen Fortschritte gibt. Ihr Vorsitzender Rune Andersen glaubt, dass die russische Anti-Doping-Agentur frühestens in 18 bis 24 Monate regelkonform agieren könne. Formal kann nicht die IAAF über den Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Sommerspielen in Rio entscheiden. Aber Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), erklärte in dieser Woche bereits, dass das IOC der Empfehlung der IAAF folgen werde. Ursprünglich sollte die endgültige Entscheidung auf einem IOC-Gipfel am kommenden Dienstag fallen, doch jetzt will die IOC-Exekutive bereits am Samstag in einer Telefonkonferenz über die Folgen der IAAF-Bewertung beraten.

Ein Hintertürchen gibt es für russische Sportler. Einzelne russische Athleten, die im Ausland leben und nachweisen können, dass sie dort langfristig getestet worden sind, dürfen in Rio unter neutraler Flagge starten. „Aber der offene Türspalt ist ganz eng“, erklärte Andersen, der ausdrücklich Julia Stepanowa als eine mögliche Teilnehmerin unter diesen Bedingungen nannte. Stepanowa hatte gemeinsam mit ihrem Mann als Whistleblowerin im November 2014 in einem ARD-Bericht erstmals die Doping-Praktiken in Russland enthüllt.

Für die prominenteste russische Leichtathletin, Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa, wird eine Ausnahmeregelung kaum möglich sein, weil sie zwar nie positiv getestet worden, aber immer unter den Bedingungen des russischen Systems kontrolliert worden ist. „Das ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte“, erklärte Issinbajewa und kündigte den Gang vor ein Gericht an. Ihrem Beispiel werden sicherlich andere russische Sportler folgen. In Russland wurde die Entscheidung mit Unverständnis aufgenommen. Selbst Präsident Wladimir Putin äußerte sich: „Von staatlicher Seite haben wir gegen Doping im Sport gekämpft und werden das auch in Zukunft tun. Es kann nicht sein, dass das gesamte Team die Schuld für Einzelne tragen muss.“

Es kann noch schlimmer kommen

Aber es kann sogar noch schlimmer für Russlands Sport kommen. Die IAAF-Taskforce stellte nämlich fest, dass das russische Sportministerium den Betrug unterstützte und an der Vertuschung beteiligt war. Dies würde nicht nur für die Leichtathletik, sondern für den gesamten Sport gelten. Jetzt ist das IOC am Zug, die Vorgänge zu bewerten. Ein genereller Ausschluss Russlands für die Sommerspiele in Rio ist nicht mehr auszuschließen.