Budapest. Bernie Ecclestone steuert mit der Formel 1 auf den nächsten Image-Totalschaden zu. Zwei Jahre nach dem PR-Desaster mit dem Ausflug ins von Unruhen geplagte Bahrain gerät der Vollgas-Zirkus wegen des bevorstehenden Debüts im russischen Sotschi zunehmend in die Kritik.
Gerade jetzt besiegelte Ecclestone auch noch den von 2016 an gültigen Deal für einen Grand Prix in Aserbaidschan, einem Land mit ebenfalls bedenklicher Menschenrechtsbilanz. Die Spitzen der Rennserie aber blocken alle Vorwürfe ab. "Es ist falsch, die Formel 1 zum Gegenstand der Politik zu machen, wenn wir doch ein Sport sind", behauptete Red-Bull-Teamchef Christian Horner.
Auch sein Star Sebastian Vettel, als viermaliger Weltmeister so etwas wie ein Klassensprecher im Fahrerlager, schob die Zweifel an der Partnerwahl der Formel 1 beiseite. "Man darf sich als Sportler nicht zu sehr seinen Kopf zerbrechen. Wenn wir Grünes Licht haben, wird es in Ordnung sein", sagte der 27-Jährige am Rand des Großen Preises von Ungarn zu Fragen nach dem Gastspiel in Russland im Oktober.
Die Annexion der Krim? Russlands Rolle im Bürgerkrieg in der Ostukraine? Die Unterdrückung Andersdenkender? "Wir werden unseren Vertrag zu 100 Prozent einhalten", beteuerte Ecclestone ungerührt. Mit Kremlchef Wladimir Putin verbindet den 83-Jährigen ein echtes Männerbündnis. "Mr. Putin hat uns enorm unterstützt und war sehr hilfreich, und wir werden das gleiche tun", verfügte Ecclestone.
50 Millionen Dollar soll der Ausflug nach Sotschi pro Jahr in die Kasse des Rechte-Inhabers spülen. Ähnlich hoch ist die Gebühr für Baku. Folter, Einschränkung der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Haftstrafen für Oppositionelle - all das werfen Menschenrechtler Aserbaidschan vor. Für Ecclestones PS-Spektakel indes war Geld schon immer der wichtigste Treibstoff. Die Moral bleibt dabei zuweilen auf der Strecke. So fuhr die Grand-Prix-Serie auch zu Zeiten der Militär-Diktaturen in Spanien, Argentinien und Brasilien und während des Apartheid-Regimes in Südafrika.
Echten Widerstand aus dem Fahrerlager hat der Formel-1-Boss nicht zu befürchten. "Wir haben Benzin im Blut. Wir kommen her, um Rennen zu fahren und das zu genießen", knurrte Force-India-Teamchef Vijay Mallya und verwies auf den Rechte-Inhaber und den Weltverband FIA, dessen Präsident Jean Todt bislang ebenfalls keinen Anlass für ein Nachdenken über das Sotschi-Rennen sieht. "Wir fahren, wo sie die Events veranstalten. So einfach ist das", meinte Mallya.
Vettel-Teamchef Horner, der bei Ecclestones dritter Hochzeit Trauzeuge war, fuhr in Budapest bei einer weiteren Frage zum heiklen Thema gar aus der Haut. "Immer wird nur auf das Negative fokussiert", polterte der Brite und warf den Medien einseitig falsche Berichterstattung vor. "Im Oktober oder November kommt ein Rennkalender heraus. Und wir haben die Wahl, ob wir an der WM teilnehmen oder nicht", sagte Horner. Weitere Nachfragen unerwünscht.
Ähnlich klang das alles vor zwei Jahren, als der Grand Prix in Bahrain nach einjähriger Zwangspause wieder gefahren wurde, obwohl sich die Menschenrechtslage im Wüstenstaat kaum verbessert hatte. Die Geschäftsinteressen von Ecclestone und den von arabischen Investoren finanzierten Teams waren gewichtiger als die Bedenken, welches Signal ein Rennen im politisch unruhigen Bahrain setzen würde.
Den Aserbaidschan-Deal soll übrigens Flavio Briatore mit eingefädelt haben. Der flamboyante Italiener, früher Teamchef von Michael Schumacher, wurde nun offenbar auch in eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung des Spektakels in der Formel 1 berufen, wie am Wochenende in Ungarn bekanntwurde. Zur Erinnerung: Briatore war einst auf Lebenszeit gesperrt worden, weil er 2008 beim Nachtrennen in Singapur einen Unfall fingierte. Aber vor zweifelhaften Partnern für seine Geldmaschine hat Bernie Ecclestone noch nie haltgemacht.